Wird man in der Türkei schneller gesund als in Deutschland? (TEIL 2)

Der erste Teil der Beitragsreihe hat einige Gemüter zum Kochen gebracht, dieses Mal aber umgekehrt, denn es regten sich Deutsche auf, die dafür eintraten, dass natürlich die deutschen Ärzte die besseren sind. Die Literatur wäre hauptsächlich in Englisch und die meisten türkischen Ärzte würden nur Türkisch sprechen. Genau mein Humor. Die türkischen Ärzte heilen, obwohl sie zumeist nur Türkisch können. An der Sprache sollte man das Ganze nicht festmachen. Dabei hatte ich über das Können der Ärzte nichts geschrieben. Wer nochmals lesen möchte, kann hier zuerst den ersten Teil lesen.

Die Erlebnisse mit den Krankenhäusern und Ärzten um die Behandlung meiner Mutter ist eigentlich zu einer Fundgrube der Absurditäten ausgeartet, die man sich so hätte niemals einfallen können.

Sie ist in der Türkei Kassenpatientin

Uns wurde ein absoluter Spezialist empfohlen. Wenn Orthopädie, dann nur er, hieß es. Also suchten wir ihn auf. Er gab für drei Tage später ein OP-Termin. Eine Bandscheibenoperation, wo wir doch bis dato nicht wussten, dass meine Mutter an der Bandscheibe was hatte.

Eine Operation mit ‚aber‘.

 Um es einfacher zu machen, nenne ich unseren Spezialisten Dr. Spezi. Auf meine Frage, ob die OP von der Kasse bezahlt werden würde, antwortete er auf die Art von Radio-Eriwan: „Im Prinzip ja!“, was bedeutete, dass für ihn auch noch ein Sahnehäubchen zu zahlen war. Es dauerte nicht lange, bis er damit rausrückte. „Aber Sie müssen 5.000 EUR selber bezahlen!“ Die geliebte Mutter schmerzfrei zu sehen, war das alle Male Wert. Einverstanden!

Die OP fing an

Auch wenn uns gesagt wurde, dass wir in ca. 5-6 Stunden kommen könnten, wenn die OP fertig wäre, blieben wir da und warteten vor dem OP-Saal. Dann passierte etwas Seltsames, die man, wenn wir schon vergleichen, hätte in Deutschland niemals erleben können. Dr. Spezi kam nach ca. 5 Stunden aus dem OP-Saal raus. Er hatte nur einen Arztkittel an. Aus dem OP-Saal kommend, wirkte es auf mich, als ob er heute seinen freien Tag hatte. „Haben Sie das Geld mit?“ Total perplex musste ich erst einmal klaren Gedanken fassen. „Welchen Betrag?“ fragte ich. „Die 5.000 Euro, Ihren Anteil.“ „Wie sieht das denn aus, Geld her oder ich operiere nicht, genauso hört sich das an.“ sagte ich. „Ich bitte Sie, selbstverständlich wird ihre Mutter operiert, nur ich wollte die Angelegenheit hinter uns bringen.“ Es wurde ersichtlich, dass dieser Betrag nur ihm zugutekommen würde.

„Operiert jemand anderer?“ fragte ich, weil er so unbeteiligt wirkte. „Meine Kollegen operieren unter meiner Aufsicht“ sagte er. Irgendwie war die Situation so unwirklich, dass ich das so akzeptierte. Nach diesem Gespräch ging er nicht ins OP-Saal. Erst nach einer Stunde kam er irgendwoher und ging rein. Nach ca. 8,5 Stunden war man fertig mit der OP.

Die Blutkonserven mussten wir selber besorgen

Eigentlich nicht mehr nötig, heißt es, aber doch werden für die Patienten in der Türkei oftmals Blutkonserven aus dem Umfeld verlangt. So machen sich die Verwandten auf dem Weg und besorgen diese. In dem Jahr hatte ich für meine Auftraggeber ein Vapiano-Restaurant geöffnet. Als ich unter der Belegschaft fragte, ob jemand die entsprechende Blutgruppe hätte und bereit war zu Spenden, standen die betreffenden sofort Schlange. So ist das in der Türkei. Wenn es um Helfen geht, stehen die Menschen sofort zur Verfügung. Später machte ich noch die Erfahrung, dass man durchaus auch andere Blutgruppen besorgen kann, man würde es dann im Krankenhaus intern gegen die richtige Blutgruppe tauschen. Also gibt es ausreichend Blut, nur man möchte die Menschen so zu einer Blutspende zwingen. Nicht immer, aber immer öfter.

Meine Mutter war tatsächlich schmerzfrei

Wie durch ein Wunder hatte unsere Mutter auf einmal keine Schmerzen mehr. Unsere Dankbarkeit Dr. Spezi gegenüber kannte keine Grenzen. Wie in der Türkei üblich, sagte meine Mutter: „Lass mal so eine große Packung Schokolade in der Patisserie machen und hol noch ein Blumenstrauß, dass wir uns bei Dr. Spezi bedanken können.“ Gesagt, getan! Parallel war ich investigativ und in geheimer Mission aktiv und holte mir Informationen über Dr. Spezi ein. Wohlgemerkt, als alles gelaufen war. Ich sagte meiner Mutter nicht, dass er seit Jahren nicht mehr operieren durfte und wir eigentlich einem Betrüger aufgesessen waren und lediglich Glück hatten (na ja, da kommt noch ein Nachschlag), dass die eigentlichen Chirurgen gut waren. Arzt war Dr. Spezi schon, aber Chirurg war er nur in seinen Träumen. Er hatte einen guten Ruf sich erarbeitet und schaffte Patienten herbei, die sich operieren ließen und glaubten, er würde sich dabei die Finger blutig machen.

Ausschlag am ganzen Körper

Da unsere Mutter einige Medikamente einnahm, dachten wir zuerst, wie Dr. Spezi auch, dass das die Nebenwirkungen wären. Es wurde aber immer mehr und mehr. Bis ein anderer Arzt sagte, dass kann eine Reaktion auf das verwendete Zement sein, welches aus Kadavern gewonnen wird. „Hat man bei Ihnen vor der OP einen Test gemacht, ob ihr Körper diese Art von Zement verträgt?“ Nö!

Also wurde meine Mutter knapp drei Wochen später abermals fast 8 Stunden operiert. Sie hat es tatsächlich überlebt.

Die OP-Wunde heilte nicht

 Die eigentlichen Schmerzen waren weg, aber jetzt schmerzte die OP-Narbe wie verrückt. Untersuchungen bei zwei Ärzten brachten ein Ergebnis. Ein plastischer Chirurg sollte rann. Einfach erklärt, sollte etwas Haut weggenommen und eine neue Schnittstelle geschaffen werden, die dann heilen konnte.

Brüste straffen, Nase richten wurde nicht verlangt

 Dennoch, der Arzt, der uns empfohlen wurde, war wie Robert M. Rey, M.D. | Beverly Hills Plastic Surgeon. Ein smarter Typ, dass wir uns fragten, ob meine Mutter danach wie zwanzig ausschauen würde. Die OP’s von Dr. Ray wurden, als ich noch in der Türkei lebte, immer auf dem Kanal E! gezeigt. Ein erstes Gespräch zeigte, dass abermals einige Tausend Euro fällig waren. Ich verhandelte. Mein Argument war, dass der „Kleine Eingriff“, wie sie alle nannten, am Rücken wäre und meine Mutter mit damals 77 Jahren nicht die Absicht hätte im Bikini schwimmen zu gehen. „Ok, dann sagen wir die Hälfte!“ bedeuteten immer noch viertausend Euro.

Wir fuhren meine Mutter zum besagten Krankenhaus

 Dr. Google Maps zeigte an, dass das besagte Privatkrankenhaus auf unserer Route zweimal existierte. Ich rief den Doktor an und fragte, welchen davon wir nehmen sollten. Dort angekommen ging es schnell. Der Eingriff dauerte keine Stunde. Unser Dr. Smart kam gut gelaunt raus und stellte die Masterfrage: „Haben Sie den Betrag mit?“ „In Deutschland ist das so nicht üblich, ich bin überrascht, ich laufe Ihnen doch nicht weg!“ Daraufhin sagte er, dass ich den Betrag am Folgetag in seine eigentliche Klinik bringen sollte. Ich sollte aber nicht den Fehler machen, dass Geld bei jemand anderem abzugeben, als bei seiner Arzthelferin Ayse B., denn sonst müsste ich doch den doppelten Betrag bezahlen, die er damals zuerst nannte.

So erfahren war ich, dass ich wusste, dass sein Praxispartner nichts davon mitbekommen sollte. Sonst hätte ich auch seinen Anteil bezahlen müssen.

Alles war gut

 Meine Mutter war zwar schmerzfrei, jedoch brachte die langen Behandlungen in Deutschland, die ihren Abschluss mit der Heilung in der Türkei hatten, dass sie doppelt so viel wiegt, wie normal. Die Lebensqualität war dahin. Dank Rollator geht es vorwärts. Einziger Luxus: Schmerzfrei!

Die besagte Tante vom 1. Teil des Beitrages, mit dem identischen Krankheitsbild ist mit ihren 92 Jahren (meine Mutter wird bald 88) , orthopädisch gesehen, recht fit. Wesentlich fitter als unsere Mutter. Schließlich beseitigte man ihren Defekt in der Türkei in drei Tagen und nicht wie bei meiner Mutter in über drei Jahren.

In der nächsten Folge dann, welche Ausbildung die Ärzte hier wie dort erfahren.

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