“Was sollen die Nachbarn denken?” (Teil 2)

Der Blogbeitrag von heute ist ein Leserbrief. Fast so lang wie mein Beitrag, um den es geht. Ich bekam diesen auf meine Kolumne im TAGESSPIEGEL hin: “Kritik? Nur auf Türkisch! Über Wellen von Hass und die uralte Frage, was denn die Leute denken sollen.” Ich finde Herr B. R. aus Berlin-Steglitz rundet mit seinem Leserbrief das Thema hervorragend ab. Da er viel besser ausdrücken kann, als ich, geht das bei mir runter wie Öl. Falls Ihr nicht wisst, worum es dabei ging: Es geht um das “Was sollen die Nachbarn denken?” der Türken.

“Sehr geehrter Herr Dener,

auch diese Kolumne von Ihnen finde ich sehr interessant: die Schwierigkeit, mit der eigenen Unzulänglichkeit umzugehen und Fehler öffentlich zu machen, Fehler zu benennen. „Was sollen die Nachbarn denken??“ war auch in den Dörfern und Kleinstädten der 50er und 60er Jahre in Deutschland eine Fessel. Viele junge Menschen- und nicht die Schlechtesten – ließen deswegen die dörfliche Welt hinter sich und zogen in die großen Städte, sehr gern auch nach West- oder Ost- Berlin.

Die Deutschen wollen immer alles zu 100% machen. Das haben wir in den letzten Jahrzehnten des Kaiserreichs auch fast erreicht. Dann der erste Weltkrieg mit dem als so ungerecht empfundenen Ausgang. Danach die vollkommene Orientierungslosigkeit. Dann der Nationalsozialismus, die Perfektion der Unfreiheit, aber nach außen hin waren wir die Schönsten, Größten und Besten. Wehe den Kritikern! Wehe den anders Denkenden! Viele Kritische kamen ins Gefängnis und ins Grab, nur die Weitsichtigen entflohen, wenn sie es konnten ( z.B. Einstein). Und nach den verheerenden Kriegs- und Unrechtsjahren die sehr, sehr mühsame Aufarbeitung unserer Fehler, die Jahrzehnte dauert.

Vielleicht hilft es verärgerten Türkischstämmigen einfach, wenn Sie denen bei einem guten Glas Tee in gemütlicher Runde ( oder im Blog) von den Fehlern der Deutschen erzählen. Wenn man sich diese unsere Fehler vor Augen führt, kann man immer sagen : „ Wie kann man nur so blöde sein, wie es die Deutschen damals waren! Das wird uns nicht passieren! Wir werden besser aufpassen.“ (Es gibt doch dazu sicher auch Bücher über Deutschland, die ins Türkische übersetzt wurden.)

Dass jetzt, zu Corona- Zeiten, die Zustände in deutschen Schlachthöfen zur Verbreitung des Virus beitragen, und das auch aus Gründen des Geizes und der Gewinnsucht, sollte auch publik gemacht werden!

Mit freundlichen Grüßen,

B. R., Berlin- Steglitz

—– Vielen Dank Herr B. R., ich habe mich sehr gefreut. Mit sonnigen Grüßen. ARD

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