EINMAL HINGESCHAUT: Ho, ho, hoo!

Meine Tagesspiegel-Kolumne von heute. Über das mögliche Schicksal des Nikolaus.

Alles, was im Islam eigentlich nicht geht, gibt es in der Türkei. Nehmen wir den Weihnachtsbaum. In einem Land, in dem kein Weihnachten gefeiert wird und laut Islam sogar Geburtstagsfeiern verpönt sind, kann man im Straßenbild der Großstädte, in den Einkaufszentren und Schaufenstern viele, toll geschmückte Weihnachtsbäume sehen.

Gefeiert wird in der Türkei Silvester. Darf man laut Islam auch nicht. In den Städten ist es Tradition, dass man sich zu Silvester beschenkt. Wahrscheinlich wurde dieser Brauch von Weihnachten abgekupfert. Gerne rote Damenunterwäsche.

Nicht bekannt, ob der Islam auch dagegen etwas hat. Die geht weg wie warme Semmeln. Da in der Türkei viel China- Ware verkauft wird, ist anzunehmen, dass man sich diesen Brauch aus China mit importiert hat. Die Farbe Rot symbolisierst in Asien Glück und Wohlstand. Was liegt da näher als mit roter Unterwäsche ins neue Jahr zu rutschen? Dann gibt es noch die Staatslotterie – obwohl doch Glücksspiele im Islam verboten sind. Für die Staatslotterie macht man sogar in den Hauptnachrichtensendungen Werbung. Klar, der Staat behält die Hälfte der Umsätze. Her mit dem Geld!

Übrigens, hätte der Nikolaus dieser Tage gelebt, hätten die Christen womöglich ohne ihn auskommen müssen. Er stammt nämlich aus Myra, einem Dorf in der Nähe von Antalya. Folglich hätte er einen türkischen Pass gehabt. Jetzt stellt euch vor, so einer mit IS-Bart geht zur Visumabteilung des Deutschen Konsulats nach Izmir, schon gäbe er ein schlechtes Bild ab. Außerdem müsste er seine letzten Gehaltsnachweise vorlegen. Wie soll einer, der nur drei Tage im Dezember arbeiten will, Gehaltsnachweise organisieren? Das A1 Zertifikat in Deutsch ist auch Bedingung, sogar bei einem, der nur „Ho, ho, hoo!“ ruft. Wahrscheinlich wäre er in seine Geburtsstadt zurückgegangen und hätte dort mit Aushilfsjobs im Tourismus sein Geld verdient.

Seine heutige Symbolkraft hätte man in den Wind schreiben können. Nun gut, es gibt noch die Variante, dass der Nikolaus vielleicht doch ein Visum für Deutschland bekommen hätte. Dann bestünde die Gefahr, dass er nicht mehr in die Türkei hätte einreisen dürfen. Denn – bei der Anhängerschar, die er weltweit hat – würde man ihm im Land von Erdogan dem Prächtigen sicher die Einreise verweigern. Verdacht auf Unterstützung oder gar die Gründung einer terroristischen Organisation, wäre die Begründung.

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