Von Wasser und Wasser

Mein Beitrag aus dem Tagesspiegel von heute:

Ahmet Refii Dener über diverse Gelüste. Auch nächtliche.
Der Mensch kann ohne Wasser, wenn er hoher Hitze ausgesetzt ist, drei, vier Tage überleben. Die Türken und Türkinnen tragen aber ein weiteres Risiko im Gepäck. Was sie danach zu trinken bekommen, muss stilles Wasser sein. Was die Jüngeren kaum wissen und die Älteren kaum erinnern werden: Stilles Wasser gibt es in Deutschland gar nicht so lange. Erst nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl 1986 konnte man stilles Wasser überall in Deutschland bekommen. Davor war es purer Luxus.

Woher ich das weiß? Oft kamen türkische Geschäftsleute nach Deutschland, zumeist Männer. Direkt nach ihrer Ankunft fragten sie mich, wo man stilles Wasser bekommen könne. Schon fuhren wir durch die jeweilige Stadt und suchten ewig lange nach stillem Wasser – manchmal ohne Erfolg. Die Türken staunten nicht schlecht. „Ja, was trinken die Deutschen?“, fragten sie. Mineralwasser! Das gab es in der Türkei damals nur vom türkischen Halbmond, dem Gegenstück des Roten Kreuzes. Bitterer beißender Geschmack, so dass man glaubte, dass sich die Zunge jeden Moment zersetzt. Schmeckt heute auch nicht anders. Das Mineralwasser gab es in braunen Flaschen. Verlangte der Arzt mal eine Urinprobe, pinkelte man in die braune Flasche. So war die Farbe nach außen hin neutralisiert.

Die türkischen Geschäftsleute in Deutschland verlangten als nächstes – wenn es Abend wurde – nach Adressen, unter denen man gewisse Damen treffen konnte. Ich klinkte mich immer aus, zumal Zuhälterei in meinem Dienstleistungsangebot nicht inbegriffen war. Ich zeigte lediglich mit dem Finger: „In dieser Straße werden Sie fündig werden!“

Überhaupt waren die Messeteilnehmer aus der Türkei mehr an dem Drumherum interessiert als an Geschäftsabschlüssen. Der Messestand: ein Gemeinschaftsstand der Türkei, jeder Teilnehmer auf dreimal drei Meter, ein Tisch und vier Stühle. Dafür musste man nicht einmal bezahlen, weil der Staat die Kosten übernahm. Also auch keine Hoffnung, dass jemand sich dorthin verirrt. Was bleibt da übrig als Spaß zu haben, wenn die Messezeit abgesessen ist? Ach so, sie verlangten außerdem nach was Süßem, nach einer Patisserie mitten in der Nacht. „Gibt es hier auch nicht“, sagte ich. Großes Staunen. In türkischen Städten gibt es sie an jeder Ecke und bis tief in die Nacht geöffnet. Zu guter Letzt noch ein Hinweis: Wenn du in der Türkei in ein Restaurant gehst und nach Pasta verlangst, wird man dich zu einer Patisserie schicken. Denn Pasta bedeutet im Türkischen Torte.

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