Vom Atomkraftwerk bis nach Alanya: 148km

Genau die richtige Lage für ein AKW?

Die kurvigen Straßen machen ein schnelleres Vorankommen per Auto nicht möglich, aber die Radioaktivität nimmt sowieso den Luft- und Wasserweg über das Mittelmeer und dann sind es nur noch 148 Kilometer bis zum Badeort und Tourismuszentrum Alanya und 120 Kilometer weiter sind wir schon in Antalya.

Ein AKW an der Türkischen Riviera. Auf die Idee, solch einen Standort zu nehmen, muss man erst einmal kommen.

Die Türkei hat ein Energieproblem und muss das Meiste für teure Devisen aus dem Ausland importieren. „Wir haben die Energieproduktion verdoppelt“ heißt es aus Ankara, nur in der Zeit hat sich der Energiebedarf der Türkei bereits verdoppelt. Also steht die Türkei immer da, wo sie steht, in Bezug auf Energie.

So wird die Schere nie geschlossen werden, es sei denn, in einer Phase, wo sich die meisten von der Kernenergie verabschieden, steigt man in die Kernenergie ein. Das geschieht derzeit.

Schon 1970 wurde es angedacht, dann nochmals in den 90er Jahren, aber immer wurde es verworfen. Dass das in der Ära Erdogan in Angriff genommen werden würde, war klar. Er liebt Mega-Projekte, die er gerne mit Auslastungsgarantien für die Erbauer ausstattet, die dann allesamt am Tropf hängen und vom Staat, die nicht erreichten Auslastungen,  sich teuer bezahlen lassen. Wenn Erdogan weg ist, wird sein Erbe die Türkei weiter belasten wie Sondermüll.

Zum Glück sind absolute Experten aus Russland anwesend, die sich der Sache mit dem AKW angenommen haben. Seinerzeit haben sie auch das AKW in Tschernobyl gebaut. Auf diese Erfahrung kann man wahrlich setzen.

Eigentlich kann Kernkraft der Türkei gut tun, was das  Stromversorgungsproblem angeht.  Nur wir sprechen hier von der Türkei, wo fast nichts auf Anhieb klappt und auf Dauer richtig funktioniert. Sonst gäbe es auch mehr Traditionsunternehmen und -Marken in der Türkei, wenn die Dinge zuverlässig und dauerhaft funktionieren würden.

Wie beim Mega-Flughafen von Istanbul legt man Wert auf die  schnelle Fertigstellung, denn das AKW muss in Betrieb gehen bevor ‚Er‘ geht. Bodenproben, Umweltstudien etc., alles zu kompliziert und zu aufwendig. „Wird schon nichts passieren!“ ist eigentlich eine türkische Vorgehensweise, aber die Russen scheinen davon auch angetan zu sein. Sie arbeiten nämlich nach diesem Konzept und beeilen sich. Der ursprüngliche Plan war 2013 mit dem Bau zu beginnen und 2016 schon Strom zu produzieren. Danach nahm man sich 2019 als Ziel. 2014 wurde erst der Vertrag zum Bau des AKW unterschrieben. Zuerst waren 20 Milliarden USD veranschlagt. Mittlerweile 25 Milliarden USD und die Inbetriebnahme ist für 2023 vorgesehen.

In der Zwischenzeit macht man sich fleißig über BER lustig. Wie die Deutschen nicht schaffen ein Flughafen zu eröffnen. Die BER’s dieser Welt gibt es überall. Würde man nach der Methode „Es wird schon gut gehen!“  arbeiten, wäre BER wahrscheinlich in zwei Jahren fertiggebaut und in Betrieb. Andere Baustelle, andere Länder, andere Sitten. Schwamm drüber!

Erwähnen sollte man auch, dass es in der Vergangenheit in der Region starke Erdbeben gegeben hat. Kritiker halten den Standort Akkuyu wegen seiner Nähe zu einer tektonischen Verwerfung für stark erdbebengefährdet. Die Auslegung des AKW auf ein Erdbeben mit einer Magnitude von 6,5 auf der Richterskala,  erscheint angesichts von möglicherweise stärkeren Erdbeben, bedenklich.

Wenn man im Internet sucht, wird Standort “AKW Nähe” besonders erwähnt. Scheint ein Plus zu sein.

Die Türkei hat bekanntlich eine einzige sichere Einnahmequelle an Devisen. Das ist der Tourismus. Den Export kann man wegdenken denn, auch wenn derzeit ein Gleichstand der Exporte und Importe an Umsätzen erreicht wurde, wird man weiterhin mehr importieren, sobald man sich mehr verschulden kann, was bekanntlich derzeit nicht geht.

Wir können uns aus der Entfernung nur aufregen und fragen, warum das alles die türkische Bevölkerung kalt lässt? Klar, kleine aber nicht dauerhafte Proteste hat es gegeben, aber das geht weitaus mehr Menschen an, als die die um die Ecke wohnen.

Nochmals zur Erinnerung,  von AKW Akkuyu aus sind es nur  knapp 20 Kilometer zum nächsten Badestrand und 148 Kilometer bis nach Alanya. Sollte einmal die Strahlung ausweichen, kann ich garantieren, dass man erst einmal verschweigen wird, aber auch wenn man sofort die Bevölkerung informiert, eines ist sicher: Die Türkei wird keinen Tourismus mehr haben. Den Rest kann man sich außerdem ausmalen, wie es mit der Agrarwirtschaft und den Menschen ausschaut. Es kann natürlich auch alles gut gehen, dass wir mit dem ersten schnuckeligen AKW der Türkei in Frieden koexistieren. Mein Bedenken ist einzig die Tatsache, dass in der Türkei niemals etwas glatt läuft. Was dann?

In Kürze werdet Ihr Neues über das Mega-Flughafen in Istanbul erfahren. Nein, nicht durch mich, die Medien werden darüber melden müssen, was alles nicht rund läuft.

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