Der Oiropeer

John Macdougall/AFP

Ahmet Refii Dener über demokratische Grundlagen des Meisters. Meine Kolumne aus dem Tagesspiegel von heute.

Klar weiß ich, wie man Europäer schreibt. Nur ist dieser hier ein Fake-Europäer, also schreibe ich es falsch, damit man ihn nicht mit den Originalen verwechselt.

Gerne erinnere ich daran, mit welchen Tricks und Methoden der Europäer des Jahres 2004, Meister Erdogan – für den good old Gerhard Schröder bei der Preisübergabe in Berlin die Laudatio sprach – es auf die große politische Bühne schaffte und sogar Alleinherrscher wurde.

Nun gut, die Türkei war zu keiner Zeit ein Paradebeispiel dafür, wie Demokratie funktionieren sollte. Aber zumindest war die Gewaltenteilung so weit gegeben, dass man davon sprechen konnte, dass es sie gab. Ich meine, als die Türkei säkular war, gab es viel mehr Menschen mit Anstand. Heute herrschen rauere Verhältnisse. Es gibt „wir“ und „die“. Die Menschen sind sich untereinander nicht mehr grün.

Die Würde des Menschen zählte in der Türkei früher. Die Gewaltenteilung war wie heute in der Verfassung manifestiert. Im Gegensatz zu heute existierte sie auch. Sagen wir: mit Ausnahmen. Wir wussten, wer Armenier, Jude oder Ausländer war, nur wurde es kaum thematisiert. Es waren wunderschöne Zeiten. Ausgeklammert die Zeiten der Militärregimes: Da gab es für die, die nach Recht und Gerechtigkeit schrien, brutale Härte und Folter.

Dann schrieb man in der Türkei den 3. November 2002. Die AKP bekam nur 34,4 Prozent der Stimmen – aber dank des türkischen Wahlsystems die absolute Mehrheit. Bis auf die sozialdemokratische CHP mit 19,4 Prozent blieben alle sonstigen Parteien (die 45,2 Prozent der Stimmen auf sich vereinten) unter der ZehnProzent-Hürde und somit draußen. „Ich bin demokratischen Wahlen entsprungen!“ Ein Satz, den kein Demokrat in den Mund nehmen würde. Ist dieser Satz mal ausgesprochen, weiß man, die Demokratie ist Geschichte.

Für Meister Erdogans Eintritt in die Politik musste man schon zu Beginn tricksen. Die Wahlen in Siirt wurden für ungültig erklärt, weil eine Wahlurne zu Bruch ging. Das ist ungefähr so, als würde in Köln eine Wahlurne kaputtgehen. Auf einmal war Erdogan Kandidat der AKP. Die DEHAP, der Sieger der annullierten Wahlen, und einige andere Parteien durften an den Wiederholungswahlen nicht mehr teilnehmen. Um den Wahlerfolg von Herrn Erdogan zu garantieren, nahm man sich vier Monate Zeit in Siirt, dann stand der demokratisch gewählte Sieger mit 84,8 Prozent fest. Erstaunlich, dass die AKP bei den richtigen Wahlen nur 17,56 Prozent hatte. Wer so gekommen ist, der geht nicht.

Foto: John Macdougall/AFP/Tagesspiegel
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