Mit dem Schneeballsytem gescheitert

In einer heißen Phase, in der die türkische Wirtschaft durch die Hölle geht, die Entscheidung zu treffen, den Präsidenten der Zentralbank, nur weil er nicht gehorcht hat, abzusetzen, kann nur einer machen, der nicht mehr weiter weiß. Ganz am Anfang, als Erdogan an die Macht kam, lief alles gut. Nach der Wirtschaftskrise in 2001 setzte die AKP Regierung die „Derviş Reformen“ um. Derviş war ein parteiloser Finanzminister der vormaligen Regierung, bevor die AKP an die Macht kam. Er, ein Wirtschaftswissenschaftler (Princeton University) und ein absoluter Fachmann mit über zwanzig Jahre Weltbank Vergangenheit. Lange Zeit zehrte die die AKP, folglich Erdogan, von seinen Reformen, die sie weiter umsetzten, bis das heiße Geld so stark in die Türkei floss, die Finanzdisziplin dahin war, dass alles in eine Art Schneeballsystem überging. Beim Schneeballsystem entstehen Gewinne fast ausschließlich dadurch, dass neue Teilnehmer in dem System mitwirken, eigenes Kapital einbringen oder erwirtschaften. So war das auch in der Türkei. Als die Dinge nicht mehr so gut liefen und kein Geld mehr aus dem Ausland floss bzw. man keine neuen Schulden mehr machen konnte, platzte das Ganze. Wer ein Schneeballsystem in der Wirtschaft aufbaut, scheitert und sich erwischen lässt, kommt in den Knast. Nicht so aber, wenn der Initiator Erdogan heißt. Wo kein Kläger, dort kein Richter. Das türkische Volk badet jetzt alles aus und wird noch Jahrzehnte für seine Fehler geradestehen müssen.

Erdogan muss, weil er nicht mehr anders kann, den riskantesten aller Wege gehen, koste es was es wolle. Jetzt, wo die ganze Welt weiß, dass die türkische Zentralbank nicht mehr unabhängig ist, wird alles nicht einfacher.

Bei einer Wirtschaft, wo die Auslandsschulden wie ein unüberwindbarer Berg dastehen, wo die Abhängigkeit vom heißen Geld auf der höchsten Stufe steht, jetzt noch mit der Zentralbank zu spielen, ist wie russisch Roulette. Hinzu kommt, dass kaum mehr Devisenreserven da sind und auch die ausländischen und inländischen Analysten der Zentralbank kaum mehr Glauben schenken, was noch an Reserven da sind. Dem neuen Zentralbankpräsidenten wird im Ausland ein starker Wind ins Gesicht blasen, das ist ganz sicher. Der neue Zentralbankpräsident wird auf den Erdogan hören. Nur wer hört auf ihn, wenn er ohne Instrumente und Geld dasteht?

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