Diesen Doktor musst du kennen – Ein Vorbild und Menschenfreund erster Güte

Es ist für mich eine Herzensangelegenheit, Euch Dr. med. Volkan Aykaç, Dr. VolkanikMan und Vovo Hakeem, vorzustellen. So lange, wie ich ihn kenne, würde ich ihn, alle Jahre wieder, als ‘Menschenfreund des Jahres’ nominieren. Man sieht ihm fast an, dass er Muslim ist und was für einer. Er ist mein Lieblingsmuslim. Darf man eigentlich so etwas niederschreiben, oder ist es schon eine Beleidigung, dass man das L vorne groß und das m in der Mitte zwangsläufig klein schreiben muss? Während solche Probleme existieren, wenn man sich an den Islam herantastet, lebt er vor, wie es eigentlich sein müsste. Er lebt den Islam für sich aus und eigentlich auch vor, wie es sein müsste. Ich mag ihn einfach. Ein toller Typ voller Güte. Die Charité in Berlin kann sich glücklich schätzen, so einen in den eigenen Reihen zu haben, behaupte ich einfach mal. Ich habe ihm einige Fragen gestellt.

ARD : Du weißt, dass ich nicht gut auf den politischen Islam zu sprechen bin. Die Religion ist allgemein für mich ein rotes Tuch. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass jeder das glauben soll, was er glauben möchte und andere damit in Ruhe lassen soll. Die Extreme überwiegen derzeit, aber was soll ich sagen, wenn ich dem Islam folgen wollte und würde, dann wärst du mein Vorbild. Du lebst dein Glauben aus und doch stehst du mitten im Leben und zwar in der Moderne. Ich rede wie ein Wasserfall, deshalb sollte ich mal ein Frage stellen, damit es nicht wie ein Interview mit mir ausschaut. Erzähl mal von dir, von der Kindheit und wann du wusstest, dass du Arzt werden wolltest?

Dr. med. Volkan Aykaç: Erst einmal danke ich Dir für das Interesse an meiner Person und kann mich deinen Worten nur anschließen. Politischer Islam ist eine Wortkombination, die ich mit „Ich drück Dir den Islam auf“ verbinde. Ich denke, wer jemanden von einem Glauben überzeugen will, sollte das dadurch tun, dass er ein gutes Vorbild ist und gesellschaftlich funktioniert. Meiner Meinung nach sollte aber – wie du schon sagst – jeder glauben, was er will. Er sollte mir aber nicht mit seinem Glauben schaden. Aus islamischer Sicht wäre das genau das, was das Richtige wär. Insgesamt ein komplexes Thema. Ich möchte aber deine Frage beantworten:
Mit ca. 8 Jahren hatte ich meinen ersten Asthmaanfall und sah nur noch schwarz. Ich kam wieder zu Bewusstsein und wusste, dass man mir geholfen hat. Das war der Punkt, an dem ich mich entschieden hatte, Arzt zu werden, wenn ich groß bin. Tatsächlich hatte ich kurz vor dem Abitur noch die Vorstellung, doch Turkologie und Islamologie zu studieren. Grund hierfür war die Beschäftigung mit der eigenen Identität und den Problemen in der Gesellschaft. Aber – Gott sei Dank – war das nur ein Gedanke, so dass ich bei Medizin blieb und dann auch am Ende Arzt geworden bin, weil mich das erfüllt. Mit dem Islam und der Geschichte der Türken habe ich mich dennoch weiter beschäftigt, vor allem mit dem Islam.

ARD: Wann hast du dich für die Geriatrie entschieden? Wie kommt man auf Geriatrie? Für mich bist du schon ein Heiliger, weil du so etwas tolles tust.

Dr. med. Volkan Aykaç: Ja, das ist eine Frage, die mir tatsächlich häufig gestellt wird. Geriatrie – die Medizin des Alterns – ist erst einmal ein oberflächlich gesehen unsexies Fach, nicht so wie Chirurgie. Alte Menschen, wie langweilig, uninteressant, keine Action, alles ist langsam etc. Ich hatte meine mündliche Prüfung im Staatsexamen bei Frau Prof. Dr. Steinhagen-Thiessen, der Mutter der Geriatrie in Deutschland. Obwohl ich in der Prüfungsgruppe mit einer guten zwei – die anderen hatten alle eine eins – sozusagen der Schlechteste war, hatte sie mir eine Stelle angeboten gehabt. Da ich sowieso Internist werden wollte, dachte ich mir erst einmal, „hey, du hast einen Platz, nimm den doch an“. Ich wurde dann somit Assistenzarzt in der Geriatrie und begann dann, das Fach zu lieben. Das merkte auch meine Chefin damals und unterstützte mich, was meine jetzige Chefin Frau Prof. Dr. Müller-Werdan, die Nachfolgerin, auch weitertut, weswegen ich aus dem Fach Geriatrie nicht mehr wegzudenken bin. Als Heiliger würde ich mich persönlich nicht sehen wollen, dafür bin ich zu fehlerhaft, aber es stimmt, Geriatrie zu machen, das ist eine doch noch einmal speziellere Entscheidung. Die absolut richtige!

ARD: Wie sieht es in Deutschland mit der Geriatrie aus? Gibt es genug Ärzte, die deinen Weg gehen?

Dr. med. Volkan Aykaç: Mit der Geriatrie sieht es folgendermaßen aus: Die Geriatrie ist auf dem Vormarsch aufgrund des Bedarfs bei der alternden Gesellschaft. Ich kriege – übertrieben gesagt – fast jede Woche aus allen Orten Deutschlands Chefarztangebote. Allerdings gibt es gewisse Auflagen in der Geriatrie, die erfüllt werden müssen. Das schaffen gerade in kleineren Ortschaften nicht alle Geriatrie-Abteilungen, so dass ich tatsächlich auch wiederum eine Schließung einiger erwarte. Allerdings gibt es ein generelles Problem im Gesundheitswesen. Grob gesagt, zu wenig Personal für zu viele Patienten. Dieser Missstand wird von der Politik nicht wirklich angegangen. Hier sehe ich ganz viele Probleme auf uns zukommen. Wofür ich in diesem Zusammenhang wirklich plädieren will. Ich bitte um mehr Verständnis von Patienten und Angehörigen für das medizinische Personal, was nicht mehr am Limit, sondern über dem Limit arbeitet. Aber leider ist das medizinische Personal der Prellbock.

ARD: Wie sieht es mit der Geriatrie in der Türkei aus und aus welcher Universität kommen die Spezialisten der Geriatrie aus der Türkei?

Dr. med. Volkan Aykaç: Die Geriatrie in der Türkei ist noch sehr jung. In Deutschland haben wir ein wenig mehr als 2000 Geriater, in der Türkei knapp 80 bei ungefähr gleicher Bevölkerungsanzahl. Allerdings ist die türkische Bevölkerung insgesamt jünger als die deutsche. Die „großen“ Geriater sitzen – wie erwartet – in Istanbul und Ankara. Mit diesen bin ich in Kontakt und hoffe, dass wir auf kooperativer Ebene weiter zusammenfinden werden.

ARD: Wann wird ein PatientIn z. B. von der Allgemeinmedizin, Orthopädie, Neurologie u.a. in die Geriatrie überwiesen? Auf die Antwort bin ich schon neugierig. Was können die Geriatristen (anscheinend nennt sich das nicht so, denn es ist von der Textkorrektur rot unterstrichen worden) besser, als die genannten Spezialisten? Hört der Latein des Allgemeinmediziners auf, wenn der/die PatientIn alt ist?

Dr. med. Volkan Aykaç: Also ein Geriatrist ist im Deutschen ein Geriater. Ein geriatrischer Patient muss normalerweise laut Definition 70 Jahre und älter sein sowie multimorbide – mindestens zwei akut behandlungsbedürftige Diagnosen – aufweisen. Mit über 80 Jahren ist man immer für uns „qualifiziert“. Allerdings sind manche mit 65 biologisch schon vorgealtert, so dass diese Patienten auch zu unserem „Beuteschema“ gehören. Diese Patienten kommen entweder als Hausarzteinweisung, aus der Notaufnahme bei Stabilität sowie – in den meisten Fällen – als Verlegung von anderen Akutstationen wie z. B. die Kardiologie oder Neurologie zur weiteren Behandlung. Da ältere Menschen besondere Umstände haben, sind wir als Spezialisten für diese gefragt. Erst einmal brauchen ältere Menschen eine längere Regenerationszeit. Diese bekommen sie bei uns (Thema längere Liegezeiten als in anderen Abteilungen). Zudem kennen wir uns mit Polypharmazie und eben den geriatrischen Syndromen gut aus (Inkontinenz, Schmerzen, Delir, Demenz, Immobilität etc.). Alte Menschen haben halt ihre Eigenheiten. Man könnte es ein wenig mit Pädiatrie vergleichen, wo die Kinder einfach anders als der „0815“ Patient sind.

ARD: Du bist auch in Sachen Völkerverständigung und Wohltätigkeit unterwegs. Du bist ja außerdem nicht nur Dr. Volkan Aykaç, sondern auch Dr. Volkanikman, und Vovo Hakeem. Wann bist du wer und wie hast du zu Musik gefunden?

Dr. med. Volkan Aykaç: Eigentlich sind alle Personen eine Person. Nur für die Bühne ist mein echter Name nicht geeignet. Daher auch Dr. Volkanikman als mein klassischer Name seit 2001 (damals noch ohne Dr. Titel und angelehnt an jamaikanische Künstlernamen, da ich ja aus dem Bereich Reggae und Dancehall hauptsächlich komme) und Vovo Hakeem als Alternativname für anstehende Projekte. Dennoch ist es mir ein wichtiges Anliegen, in Sachen Völkerverständigung und Wohltätigkeit unterwegs zu sein. Ich sehe das als meine Aufgabe als Weltbürger, Arzt und auch als Muslim, genau so zu agieren. Die Welt braucht das.
Ich habe 1996 meinen ersten Auftritt bei einer Musikveranstaltung in unserer Schule gehabt. Das hat mir so gefallen, dass ich weiter gemacht hatte. Ich begann, eigene Texte zu verfassen und dann auch eigene Musik zu produzieren. 2001 kam dann meine erste Platte als Single heraus und der Rest ist Geschichte. Ich habe mit vielen diversen Künstlern, berühmt bis unbekannt gearbeitet. Seit 2006 bin ich komplett dem guten Zweck gewidmet und konnte so bisher knapp 50.000 € Spenden für bildungsfördernde und medizinische Hilfsorganisationen weltweit sammeln, habe aber auch für schwerkranke Menschen gespielt. In letzter Zeit musste ich mich aufgrund meiner Oberarztposition und auch meiner Tochter zurückziehen, arbeite aber aktuell an neuer Musik und weiteren Projekten. Mal schauen, was da noch kommen wird und kann.

ARD: Könntest du dir vorstellen in der Türkei zu leben und zu arbeiten? Das ist so eine Standardfrage, denn du hast dir dein Leben hier aufgebaut und man muss ja nicht unbedingt irgendwo hin und sag noch was zu deinen Zielen bitte.

Dr. med. Volkan Aykaç: Ich könnte mir schon vorstellten in der Türkei zu leben und auch zu arbeiten, bin aber momentan sehr zufrieden mit meiner Situation hier. Aber wer weiß, wo mich mein Schicksal hinverschlagen wird. Aber aktuell habe ich keine Abwanderungsgedanken-

ARD: Politische Fragen stelle ich dir nicht, zumal du dich dazu nicht öffentlich äußerst.

Dr. med. Volkan Aykaç: Ich habe natürlich auch meine politische Meinung, allerdings sage ich nicht, wen ich wähle, da ich nicht kategorisiert werden will. Das ist nämlich ein großes Problem heutzutage, dass man kategorisiert wird. Das bin ich so oder so schon. Wir sollten miteinander reden können und uns respektieren sowie akzeptieren. Polarisierte Meinungen bringen uns nicht weiter. Wir müssen schauen, wie wir miteinander gut auskommen können. Doppelmoral, Doppelstandards müssen aufgehoben werden. Die Historie sollte die Zukunft beeinflussen, aber man sollte nicht mit Historie Vorteile für sich herausholen, sondern jeder sollte profitieren. Aber ehrlich gesagt. Im Großen und Ganzen muss das Ungleichgewicht auf der Welt weg. Wir dürfen nicht auf Meinungsmacher und Wirtschaftsbestimmer hineinfallen. Man schafft es immer wieder, den Fokus von dem Wesentlichen und den Verursachern auf die Symptome zu lenken. Wie in der Medizin, muss die Ursache angegangen werden, nicht das Symptom. Symptome sind nur noch dann im Fokus, wenn der Mensch im Sterben liegt, aber dann ist es zu spät.

Fotos: Dr. Aytaç Privat

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