Fatma Teyze in Ankara fragen, wie es um die Finanzen steht

Tante Jutta aus Köln, oder Fatma Teyze (Tante) aus Ankara, sind wie die Ökonomen. Sie schauen nicht, was für ein Wert auf den Geldschein gedruckt ist, sondern vielmehr interessieren sie sich dafür, was sie mit damit alles kaufen können.

Wenn z. B. Tante Fatma letztes Jahr mit 50 TL einkaufen ging und ihre Lebensmittel für die Woche einkaufen konnte und in diesem Jahr selbst mit 100 TL, nicht die Tüte voll bekommt, dann pfeift sie was auf das nominale Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens.

Sogar so ein Magazin wie The Economist fiel auf Erdogan’s Worte rein und brachte vor Jahren die Schlagzeile, dass das Pro-Kopf-Einkommen der Türken, in zehn Jahren um das Dreifache gestiegen sei.

Schon am nächsten Tag folgte die Berichtigung online. The Economist war vom Nominalwert ausgegangen. Das eigentliche Wachstum betrug 43%. Das passierte eigentlich innerhalb von fünf Jahren und war ein Riesenerfolg für Erdogan. 2008 war Ende.

Alle 10 Jahre wuchs das Pro-Kopf-Einkommen der Türken um ca. 45%. Nur die letzten 10 Jahre nicht.

Diesen Erfolg von Erdogan kann man wiederum relativieren. Wenn man von den Weltbankwerten* ab 1960 ausgeht, wächst das Pro-Kopf-Einkommen der Türken in Zehnjahreszyklen immer jeweils um 45%. Das war immer so, egal wer regierte.

Die Regierungszeit von Erdogan beträgt Mittlerweile fast 17 Jahre und über die 43% (die man in fünf Jahren schaffte) ist man nicht hinausgekommen. So, wie der USD momentan steht, ist die Zahl sogar geschrumpft. Wenn wir von den o.g. Zehnjahreszyklen ausgehen, sind in drei Jahren die nächsten Zehn Jahre voll.

Die Zahlen lügen nicht.

Erstmals in seiner Geschichte, wird das Pro-Kopf-Einkommen der Republik Türkei, nicht um die 45% gewachsen sein, was bis jetzt die Regel zu sein schien.

Eigentlich muss man nicht einmal einen Lügendetektor einsetzen. Schon 2008 sagte Herr Erdogan, dass das Einkommen der Türken, seit seinem Amtseintritt, um das dreifache gewachsen sei und heute 2018, sagt er das immer noch. Keiner stellt die Frage, der Opposition fällt die Frage nicht ein, was denn in den letzten Zehn Jahren dann passierte.

Die Kaufkraft ist dahin.

Die Türkei ist im Rennen mit sich selber. Überhaupt ist es falsch, wenn ein Land sich ständig an den eigenen Zahlen misst.

Was bringt es mir, dass ich denn Vorletzten überhole, wenn die anderen Länder in allem enteilt sind? Oder, was bringt es mir, wenn ich stolz darauf bin, wenn ich mehr wie im letzten Jahr exportiert und weniger importiert habe. Was ist mit den anderen Ländern, die im Rennen sind?

Wo steht dann die Türkei beim Pro-Kopf-Einkommen?

Wenn Ihr wissen wollt, wo die Türkei steht, müsst ihr zum Vergleich Länder nehmen, die im Pro-Kopf-Einkommen der Türkei irgendwann mal ähnelten. Gemerkt und notiert hatte ich mir die vier Länder aus einer Kolumne von Prof. Sirin aus New York in der Hürriyet vor einigen Jahren.

Gleichstand in den 60er Jahren

Brasilien, Griechenland, Südkorea und Spanien hatten in den 60er Jahren, laut Weltbankzahlen*, fast das identische Pro-Kopf-Einkommen wie die Türkei. Also der Vergleich steht und hinkt nicht.

1960 war die Türkei mit kleinem Abstand hinter Griechenland an zweiter Stelle. Nur ab 1970 fängt Griechenland an den Vorsprung zu vergrößern. Noch schlimmer ist, dass Spanien von hinten kommend die Türkei überholt. Gut, in den 80er Jahren kann die EU dazu beigetragen haben, dass Spanien die Türkei überholte, nur, Südkorea macht sich in den 80ern zu neuen wirtschaftlichen Ufern auf und überholt die Türkei ebenfalls. Brasilien mit 200 Millionen Einwohnern kommt, unter diesen 5 Ländern vom letzten Platz und überholt die Türkei, die in 1960 mit Griechenland an der Spitze war ebenfalls. 2012 ist die Türkei unter den fünf Ländern letzter.

Wenn Ihr jetzt fragt, wo die Türkei im weltweiten Rennen steht, dann kann ich euch das schnell sagen. In dem Umfang, wie die Weltwirtschaft durchschnittlich gewachsen ist, ist auch die Türkei gewachsen. Mit dem steigenden Wasser für alle, stieg auch auf die Türkei auf.

Schaut man aber auf die Abstände zu den OECD Ländern, so kann man feststellen, dass in den letzten 10 Jahren die Türkei sich hat abhängen lassen.

Wie kann man dagegenwirken?

Harte und aussagefähige Zahlen sollten eine Rolle spielen, damit man erwachsen wird und nicht mehr an Märchen glaubt. Mit der abwartenden Haltung auf die Selbstheilung zu setzen, ist der falsche Weg.

 

(*) Eigentlich völlig unnötig, aber dennoch evtl. von Bedeutung. Die Weltbank bekommt die Türkei-Zahlen von der Türkstat, dem staatl. türkischem Amt für Statistik. Sonst könnte man der Weltbank, wie üblich, böse Absichten unterstellen.

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