Meine heutige Kolumne aus dem Tagesspiegel: Vom Haus- zum Weißtürken

“Bist du ein Haustürke, oder was?“, schrieb einer meiner Leser zu einem Blogbeitrag von mir. Welchen Beitrag er meinte, teilte er mir nicht mit. Den Begriff hatte ich schon des Öfteren gehört. Ich ein Haustürke? Klar, ich bin ein häuslicher Typ, aber das konnte damit nicht gemeint sein. Eine Recherche zeigte, dass Malcolm X einen ähnlichen Begriff prägte: „Es gab zwei Arten von Sklaven: den Hausneger und den Feldneger. Die Hausneger – sie lebten im Haus mit dem Herrn, sie waren ganz gut angezogen, sie aßen gut, weil sie sein Essen aßen – was er übrig ließ.“

Hm. Der Leser verträgt also meine kritischen Beiträge nicht, war die Schlussfolgerung. Eigentlich fällt diese Einschätzung auf ihn zurück – denn anscheinend ordnet er die türkischstämmigen Deutschen als Sklaven ein. Bitter.

Ein sehr guter Freund meinte dagegen bei einem Treffen, ich wäre ein „Weißtürke“. Die Bedeutung, die ich diesem Wort beigemessen hatte, war: ein gebildeter Türkischstämmiger, säkular und auch sonst ziemlich positiv. Es kommt eben drauf an, wer einem etwas sagt. Da ich diesen Freund sehr schätze, hätte er mir auch Böses sagen können, es wäre bei mir wahrscheinlich positiv angekommen.

Ich habe ihn gefragt, wie er den Weißtürken definiert. „Weißtürken sind die Türken, die sich selber als weitsichtige Menschen einschätzen und aus den Militärs, Zivilen, Bürokraten und Intellektuellen stammen. Die Weißtürken sind diejenigen, die den westlichen, säkularen Lebensstil akzeptieren und angenommen haben, wohlhabend sind, gute Ausbildung erfahren, zum Teil im Ausland studierten und eine mächtige Minderheit darstellen.“ Ergänzt hat er noch, dass nach seiner Einschätzung die Weißtürken sich dem sunnitischen Glauben zuordnen, hellhäutig und nicht kurdisch sind.

Da sieht man es mal wieder: Zwei stecken ein und denselben Menschen in die Schublade. Der eine in die oberste, der andere in die unterste. So ist die türkische Community in Deutschland, aber auch die Bevölkerung in der Türkei gestrickt. In sich uneins und immer versucht, jemanden einer Gruppierung zuzuordnen.

Jetzt, wo ich mit dem Begriff des „Haustürken“ konfrontiert wurde, stelle ich fest, dass die türkische Bevölkerung aus Haustürken besteht. Sie essen das, was der Herr übrig lässt – oder was sie sich noch leisten können. Die willkürlich inhaftierten Andersdenkenden wären dafür gerne Feldtürken. Zwar immer noch unfrei, aber dafür an der frischen Luft und ohne Mauern um sich. Ahmet Refii Dener

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