Die Türkei an einem Samstag

Die türkische Wirtschaft hat genug Übung mit Krisen, auch nach dieser Krise wird sie sich schnell erholen, nur, das eine Problem ist, dass die Krise schleichend Bestand hat, viele Unternehmer und Unternehmen still und leise in die Pleite gehen aber man auf Regierungsebene vor den Wahlen immer noch so tun muss, als wäre alles normal.

Meine Gewohnheiten haben sich verändert. Ich schaue Morgens nicht automatisch nach, welche E-Mails und Whatsapp-Nachrichten gekommen sind, sondern schaue auf den USD Kurs gegenüber der türkischen Lira. Heute wachten wir auf und der USD stand bei 4,65 TL, der Euro bei 5,43 TL (02.06.2018, 9:00 MEZ).

Die Rating Agenturen, Moody’s, Fitch und letzte Woche war außerdem noch Standard & Poors dabei, sagen immer wieder anders formuliert und doch das mittlerweile im Wochentakt, das selbe: “Wir haben euch unter Beobachtung!”

“Ja und weiter?” möchte man fragen, aber selbst in diesem Fall würden sie antworten: “Wir haben euch unter Beobachtung!”

Die Minister, die im Falle eines Wahlsieges von Herrn Erdogan nicht mehr dabei sein werden, aber auch wenn sie dabei wären, keine Entscheidungsfunktion mehr haben werden, versprechen dem Volk das Blaue vom Himmel.

Der Wirtschaftsminister hielt gestern eine Rede vor den Mitgliedern der Föderation der Exporteure der Türkei (TIM). In der halbstündigen Rede kam nicht einmal das Wort “Import” vor. Hätte das Wort einmal erwähnt, hätte er die Rede nicht halten brauchen, denn Importe fressen die Exporte auf und das in Rekordhöhe und mit steigender Tendenz.

Während tendenziell so ziemlich alles gegen Herrn Erdogan läuft, so macht er einen immer gelasseneren Eindruck. Die Kundgebungen von ihm sind mit auf Staatskosten herangekarrten Menschen und selbst dann, nicht mehr so gut besucht, wie das früher der Fall war. Zu sagen hat er sowieso nichts. Er kritisiert die letzten 16 Jahre, wo er selber regierte und verspricht Besserung für die kommenden 16 Jahre.

Eigentlich haben die meisten Bürger raus, dass alles nur Luft ist, was er sagt und verspricht, dann aber fällt mir der eine Spruch von Stalin ein: »Wisst ihr, Genossen«, sagte Stalin, »was ich über diese Frage denke? Ich meine, dass es völlig unwichtig ist, wer und wie man abstimmen wird; überaus wichtig ist nur das eine, nämlich wer und wie man die Stimmen zählt.«

Ich bleibe dabei. Auch wenn er verliert, wird er nicht gehen. Er kann nicht gehen.

“Die Unterscheidung zwischen Macht und Machtmissbrauch ist eine rein akademische. In Wirklichkeit ist beides ein und dasselbe: wer die Macht nicht missbraucht, verliert sie. Und deshalb muss allen misstraut werden, die uns versichern, sie erstrebten Macht, ohne sie missbrauchen zu wollen.”

© Ulrich Erckenbrecht

(*1947), deutscher Schriftsteller und Aphoristiker (Pseudonym: Hans Ritz)

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