Wenn der Milchmann zweimal bimmelt

Immer wenn ich mich dabei ertappe, dass ich nach dem Haltbarkeitsdatum der Produkte schaue, habe ich das gleiche Bild vor den Augen. Den Milchmann der mit seiner bimmelnden Glocke die Bağdat Straße (Istanbul) herunter kam.

Zumeist hatte er einen Behälter mit Milch und einen mit Joghurt, den er an die Enden eines Stockes gehangen hatte, die er über die Schulter trug (s. Foto). Übrigens, obwohl das Foto aus dem Jahre 1910 stammt, sah unser Milchmann, 60er Jahre Modell, keinen Deut anders aus.

Alle Hausfrauen, Mütter, Omas wussten es besser, in Milch würde Wasser beigemischt sein. Oft kam es auch raus, die Presse berichtete ständig davon. Nur eines war auch sicher, dass unser Milchmann der vertrauenswürdigste überhaupt war. Er würde so etwas niemals machen. Nein, ganz bestimmt nicht.

Sobald wir Kinder den Milchmann bimmeln hörten, fuhren wir mit unseren Fahrrädern um ihn herum und wollten testen, ob er durch diese Störungen noch das Gleichgewicht behielt und nichts ausschüttete. Oder war es anders herum? Ja, ich glaube wir hofften, dass er Milch ausschüttet.

Die leeren Behälter standen bereits. Nachdem diese gefüllt waren, kam die obligatorische Frage: „Abla (Schwester) ich habe super Joghurt, möchtest du probieren?“ Keine Ahnung warum aber, wir kauften bei ihm nur Milch und niemals Joghurt.

Warum ich das erzähle. Der gute Mann kam von weit her. Zuerst mit dem Zug bis Bostanci Bahnhof und danach ging er ca. 8 km um sein Milch und Joghurt loszuwerden. Das machte er ab dem Frühling bei fast 30 Grad Hitze. Auch wenn wir nach 1 km drankamen, so war er mit dem Milch locker 4 Stunden unterwegs. Die Kühlkette? Mag sein, dass er mal eine Kette gefunden hat auf dem Boden, aber der Kühlkette ist er sicher nie begegnet. „Direkt vom Kuh zum Kunden“ könnte sein Werbeslogan lauten.

Wir leben noch.

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