Einmal hingeschaut: Braucht dich die Türkei?

Unten meine Kolumne vom Sonntag (11.02.2018) aus dem Tagesspiegel. Die Gegenargumente, die folgten, waren eher: “In Deutschland ist es auch nicht besser!” Darum geht es aber in dem Beitrag nicht. Es geht um die Türkei. Wie es in Deutschland ist spielt keine Rolle, auch nicht, wie es in Rumänien ist. Sicher, man könnte noch mehr Details bringen, nur dann hätte ich die ganze für mich haben müssen. So ist das ein kleiner Umriss, halt eine Kolumne.

Letzte Woche sagte ein türkischer Arbeitgeber, bei dem ein Deutschtürke sich beworben hatte, abwertend: “In Deutschland schaffen sie nicht und kommen dann zu uns, was soll ich mit so einem.” Ich habe ihm zu erklären versucht, dass der Wunsch in der Türkei leben und arbeiten zu wollen, eher mit der Unzufriedenheit im Job in Deutschland und dem Wunsch, im der Heimat der Eltern zu leben zu tun hätte. Da hatte er auch eine Antwort parat: “Da, was soll ich mit so einem. Hier bei uns wird er nicht glücklich und zieht dann weiter und was habe ich davon?”

Einmal hingeschaut: Braucht dich die Türkei?

Vor 56 Jahre ist das Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und der Türkei wirksam geworden. Wie die Zeit vergeht. Für viele Türken ein neuer Lebensabschnitt, eine Chance, viel weiter zu kommen, als sie es in der Heimat jemals gekonnt hätten.

Die jüngeren Generationen der Türkischstämmigen in Deutschland vergessen gern, dass es in der Türkei für diejenigen, die weiterhin malochen müssen, nichts zu holen gibt. Die Türkei ist nur gut zu ausländischen Residenten und zu denen, die nicht mehr arbeiten müssen.

Da mein persönlicher Blog ichmeinsgut.de heißt, in dem ich über die türkische Wirtschaft und über meine Erfahrungen berichte, denken die Rückkehrwilligen: Er wird Bescheid wissen, von dem lasse ich mich beraten. Natürlich kostenlos, denn der Türke ist, genetisch bedingt, beratungsresistent.

Viel Positives kann ich den Rückkehrwilligen nicht sagen, außer: Die Türkei braucht euch nicht! Bitte jetzt nicht mit den wenigen Ausnahmen kommen! Die Argumente der Deutschtürken: „Ich habe in Deutschland gelernt/studiert, kann Deutsch, Englisch und Türkisch.“ Es gibt hingegen wenige Jobs, bei denen der Arbeitgeber auf die Fremdsprache setzt. Also Deutsch und Englisch weggedacht, bleibt nur noch Türkisch übrig. Nach 30 Jahren im deutsch-türkischen Business stelle ich Folgendes fest: Das hilft ihnen in der Türkei leider kaum. Denn ihre türkischen Sprachkenntnisse sind in den seltensten Fällen für die Türkei ausreichend.

Daher ist der türkische Kandidat ihnen schon eine Nasenlänge voraus. Der kann (gefühlt) ausreichend Türkisch. Nur die wenigsten können die Muttersprache gut. Woher denn auch? Die Menschen im Blickfeld sind nur am Fluchen und ein gepflegtes Türkisch mit Anstand ist nicht drin.

Jetzt, da fast alle geglaubten Vorteile weg sind: Was bleibt übrig? Ja, die tolle Ausbildung aus Deutschland. Nur: Wenn sie mich von der Türkei aus kontaktieren, fragen sie: „Wozu habe ich studiert, wenn davon nichts abgerufen wird?“

Der Türkei fehlen Fachleute. Moment, jetzt nicht sofort in den Flieger springen! Würdest du zum doppelten Mindestlohn, wenn überhaupt, arbeiten wollen und deine Fertigkeiten so billig anbieten, also für einen Lohn, mit dem du nicht einmal dich, geschweige denn deine Familie ernähren könntest? Das sind leider die harten Fakten. Nicht alle hören sie gern. Darum bläst mir vonseiten der Regierungsanhänger gelegentlich ein rauer Wind ins Gesicht. Die Propaganda wird immer gut gekocht verabreicht, die Wahrheit ist eher roh und unverdaulich.

Originalbeitrag: http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/einmal-hingeschaut-braucht-dich-die-tuerkei/20948786.html 

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