DAS KLAGEN DER EHEFRAUEN ZUR BRONZEZEIT

“Seit 4000 Jahren die gleiche Laier”

– Briefe aus der Stadt Kaneš in Anatolien –

Die Hethiter sind nur wenigen unserer Zeitgenossen geläufig.

Dabei war das Hethiter-Reich (2. Jtd. v. Chr.) die Supermacht Nr. 2 der frühen Antike und Rivale Ägyptens, der Supermacht Nr. 1 jener Zeit.

Mit Zentrum in Anatolien (Hauptstadt war Hattuša, 110 km östlich von Ankara) erstreckte sich das Reich der Hethiter bis nach Palästina.

Der Ägyptisch-Hethitische Vertrag (1259 v.Chr.) zw. Ramses II. und Ḫattušili III. ist das älteste schriftliche Friedensabkommen der Historie. Auszüge hängen im UNO-Gebäude in NY.

Dieser Friedensvertrag beendete die langjährigen Grenzstreitigkeiten zwischen beiden Imperien und begründete ihre Allianz.

KANEŠ

Die hethitische Stadt Kaneš (“Kültepe”, Kayseri) ist eine der bedeutendsten archäologischen Ausgrabungsstätten zur frühen Antike.

In der mittleren Bronzezeit avancierte Kaneš zum zentralen Handelsort Anatoliens und zu einer Drehscheibe im überregionalen Handel.

Insgesamt blieb Kaneš 2 Tausend Jahre lang als Stadt besiedelt; von der frühen Bronzezeit bis zur Zeit des Römischen Reiches.

GLOBALER HANDEL

Einen globalen Handel gab es bereits in der Bronzezeit. Seine wichtigsten Akteure waren assyrische Kaufleute.

So gab es auch in Kaneš eine assyrische Handelskolonie (kārum).

Von Kaneš aus betrieben assyrische Kaufleute Handel zwischen Afghanistan und Hellas und bis zur Donauregion, zwischen Ägypten und der heutigen Ukraine.

DIE TONTAFELN VON KANEŠ

Rund 30.000 Schrifttafeln aus Ton konnten bisher in Kültepe geborgen werden.

Die Funde sind von enormer Bedeutung für die Erforschung der anatolischen und assyrischen Geschichte zwischen 2000 und 1700 v. Chr..

So sahen die Tontafeln aus.

Die Tontafeln in assyrischer Sprache zeugen vom damaligen Geschäftsleben, aber auch von Politik, Religion und vom Alltag der Händler und der Einheimischen.

Zumeist handelt es sich bei diesen um Dokumente wie Reisekosten, Schuldbriefe, Inventarlisten sowie um Rechtsurkunden wie Heirats-, Erb- und Scheidungsverträge.

Es finden sich aber auch Zaubersprüche, Erzählungen sowie Briefe privater Natur.

20.000 der Tontafeln entstammen einem Zeitraum von nur 80 Jahren. Eindrucksvoller Nachweis dafür, wie weit Dokumentation und Schriftkultur schon gediehen waren.

DAS KLAGEN DER EHEFRAUEN

Die assyrischen Kaufleute waren für Monate, sogar Jahre unterwegs, um Güter zu kaufen und zu verkaufen.

Sie hielten aber Korrespondenz untereinander sowie mit ihren Familien in Kaneš.

Über die laufend an- und abreisenden Karawanen konnten Briefe ausgetauscht werden. Viele der Tontafeln hatten Maße von nur 6 x 5 cm, waren somit leicht zu transportieren.

So fanden sich in Kaneš auch Tontafeln mit Briefen von wehklagenden Ehefrauen.

In einem dieser Briefe heißt es:

“Du bist abgereist, ohne mir Mittel für den Haushalt zu hinterlassen. Ich schicke dir Wolle zum Verkaufen. Schicke mir Silber zurück, damit ich Getreide kaufen kann.”

Wiederum schreibt eine andere Gattin konsterniert:

“In der Zeit deiner Abwesenheit hat unser Nachbar Salum schon zwei Häuser gebaut. Und was haben wir erreicht ?!”

4000 (?) Jahre und ewig die gleiche Laier.

Von Ertugrul Uzun, Politikwissenschaftler, Berlin

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