Die Agrarwirtschaft der Türkei im freien Fall

Die türkische Agrarwirtschaft war und ist eigentlich schon immer in der Champions-League gewesen. Wenn man ‘Türkei’ sagte, dachte man an erster Linie an die Agrarnation-Türkei. Das ist auch nicht verkehrt. In vielen Bereichen ist das Land unter den führenden Nationen und die 7. größte Agrarnation weltweit.

Fast 20% der erwerbstätigen Bevölkerung arbeitet immer noch in der Agrarwirtschaft und erwirtschaftet 6,1% des Bruttoinlandsproduktes (2016).

Im Rahmen der Planungen und Ziele für 2023, dem 100. Jahrestag der Republik, möchte die Türkei unter den Top 5 Agrarnationen sein. Leider auch eines der Ziele, die nicht erreicht werden können, denn die Agrarflächen werden, entgegen den Planungen und den vielen Investitionsanreizen, immer weniger.

Leider ist es so, dass die Bauern die meiste Arbeit haben und das wenigste Geld verdienen, an den Produkten die sie erzeugen bzw. ernten. Außer Spesen, nichts gewesen. So geben viele auf und bauen. Die Agrarflächen werden zu Bauland.

Dabei bleibt festzuhalten, dass Agrarinvestitionen durchaus interessant und lukrativ sind, wenn man es den richtig anstellt.

Dass die Agrarwirtschaft der Türkei eigentlich niemals so funktionierte, wie es funktionieren sollte, wissen die türkischen Agraringenieure am besten, schließlich bekommen sie das auf der Universität erklärt. Wenn also jeder weiß, wo der Haken liegt und nichts dagegen getan wird, was muss man da denken?

Es ist bekannt, dass die Türken allgemein jegliche Art von Investitionen, die in Verbindung mit Innovation und Beratung zusammenhängen, scheuen. Die Folge ist, dass man vielerorts zwar die modernsten Maschinen, bei veralteten Verfahren einsetzt.

Die Ergiebigkeit liegt in fast allen Bereichen, weit unter denen des Auslandes. Die ausländischen Bauern holen, mit weniger Wasser, Dünger, Personal, Maschinen und Fläche, mehr vom Boden raus, als die türkischen Bauern. In Deutschland z. B. wird die Agrarfläche ebenfalls weniger, nur bei steigenden Erträgen und Mengen.

Am Beispiel der Tomate kann man es gut veranschaulichen:

Laut Zahlen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), die auf die Zahlen von 2011 basieren, produzierte die Türkei die doppelte Menge an Tomaten, wie Italien und die 3-fache Menge wie Spanien.

Jetzt werdet Ihr gedacht haben: “Wow!”

Zahlen sind auch in der Politik die besten Täuschungsinstrumente.

So haben Spanien auf einer Fläche von 51.204 Hektar und die Türkei auf 328.000 Hektar Fläche Tomaten geerntet. Die Türkei setzte die 6-fache Fläche, im Gegensatz zu Spanien ein. 

Die Ergiebigkeit pro m2 betrug bei den Spaniern 7,5 kg

Der türkische Bauer kommt nicht mal auf die Hälfte und erntet pro m2 nur 3,3 kg.

Das ökonomische Prinzip, mit den gegebenen Mitteln und Möglichkeiten das Höchstmögliche zu erreichen, funktioniert also im Ausland besser als in der Türkei. Weitaus besser!

Das ist dann die Erklärung, warum die Agrarerzeugnisse, die in der Türkei in Massen produziert werden, dennoch viel günstiger aus dem Ausland importiert werden. Die Ergiebigkeit beeinflusst den Preis der Ware.

Auch anhand der Baumwolle kann man die obige Aussage belegen. Die Türkei ist eines der größten Baumwollexporteure der Welt, aber auch eines der größten Importeure.

Wie kann man dem entgegenwirken? Ausländische Berater ins Land holen, die es hier und da auch schon immer gegeben hat und effektiver bewirtschaften. Es bleibt Stückwerk.

Wie gesagt, leider geht der Trend ins verkehrte rum. Die Abhängigkeit der Türkei vom Ausland ist in fast allen Bereichen der Wirtschaft größer geworden. Schaut man sich die Gesetze und die Dekrete der jüngeren Zeit an, so stellt man fest, dass es gewollt ist.

In der Türkei darf z.B. kein einheimisches Saatgut eingesetzt werden. Es muss Import-Saatgut sein. Bald werden die Milch- und Fleischprodukte von 100 bzw. 140% Einfuhrzöllen befreit. Danach werden Fertigprodukte das Land überfluten und die türkische Lebensmittel- und Agrarindustrie noch schneller schrumpfen lassen.

Die Logik hinter diesen Entscheidungen? Es gibt keine. Es kann nur ein Ziel geben, dass die Türkei in noch größerer Abhängigkeit vom Ausland hineinsteuern soll. Wir schreiben das Jahr 1918.

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