Auslandsstudium: Der Traum eines jeden türkischen Studenten

Seit einiger Zeit biete ich mit einem Kollegen zusammen u.a. Bildungsberatung an. Wir führen angehende Studenten, wie auch Berufstätige, zu neuen Ufern der Weiterbildung und Qualifizierung.

MesseEingang„Was tut sich auf dem türkischen Bildungsmarkt?“

Darüber habe ich oft berichtet. Mit der steigenden Zahl der Universitäten in der Türkei, die als inflationär zu bezeichnen ist, sinkt die Qualität in der Bildungslandschaft. Die Gründe sind vielfältig. Es ist zwar nicht die Folge der schlechten Qualität aber die meisten steuern von der Uni direkt in die Arbeitslosigkeit. Der Markt gibt nichts her, was Arbeitsplätze angeht. Benötigt werden eher solche, die aus handwerklichen Berufen kommen. Mangelware! 28% beträgt die Arbeitslosenquote bei den Akademikern in der Türkei.

Der Andrang war groß.

Der Andrang war groß.

Studieren im Ausland

Jährlich produziert die Türkei 800.000 bis 1 Mio. neue Studenten. Ich sage absichtlich ‚produzieren‘ weil es einer Art Massenabfertigung gleicht. Dabei geht es dem angehenden Studenten zuerst darum, die Aufnahmeprüfung zu bestehen bzw. die nötige Punktzahl für die Wunschfächer zu bekommen, was selten gelingt.

So studiert ein jeder irgendein Fach, das ihm nicht liegt, bei männlichen Studenten vor allem auch deswegen, weil ohne ein Studium direkt der Wehrdienst vor der Tür stehen würde, der derzeit in der Türkei keineswegs ein sicheres Dasein garantiert.  Da kommt das Ausland ins Spiel. Am Wochenende war ich u.a. bei der International Education Fair (Türkiye Uluslararasi Egitim Fuarlari) IEFT. Wenn ich sage „u.a.“, dann

Wie schicke ich Geld ins Ausland? Recherchieren, bevor man das Kind einschreiben lässt. :)

Wie schicke ich Geld ins Ausland? Recherchieren, bevor man das Kind einschreiben lässt. 🙂

meine ich das auch so. Allein dieser Veranstalter ist in 5 Städten der Türkei innerhalb 2 Wochen unterwegs. Eine Roadshow.  50.000 angehende Studenten nutzten dabei die Gunst der Stunde und informierten sich über das Studium im Ausland.

Stipendien, Preisnachlässe u.a.

Die ausländischen Bildungseinrichtungen sind reichlich vertreten. Allein bei dieser Messe sind über 200 Universitäten aus der ganzen Welt dabei. Von Australien, über Hong Kong, Deutschland bis in den USA.

Bei so viel Konkurrenz, versuchen einige sich über den Preis einen Vorteil zu verschaffen. Stipendien werden ausgelost, Preisnachlässe gegeben. Dabei reichen die Preise von sehr teuer bis teuer, zumal die türkische Lira in den letzten Monaten stark an Wert verloren hat. Wer sein Auslandsstudium im letzten Jahr budgetierte, der musste bei der Familie eine Nachbudgetierung einreichen. Satte 40% (Wertverlust der Lira) mussten nachfinanziert werden.

Interessant war auch, dass den 1. Stand auf der Messe, direkt am Eingang, die Akbank und Western Union innehatten. So konnten die Eltern, die ihre Kinder begleiteten, noch bevor die Kinder irgendwo eingeschrieben wurden, sofort erfahren, wie man Geld ins Ausland schickt (oder sich eine zehnte Kreditkarte aufschwatzen lassen). Dieser Stand war dann auch vom Anfang bis Ende des Messetages  am stärksten frequentiert.

Reisezudenträumen

Die Reise zu den Träumen beginnt. Internationale Bildungsmesse.

Die Entscheidungskriterien

Ich habe mit viele Eltern und Jugendlichen gesprochen und musste feststellen, dass die schon im Vorfeld recherchiert hatten und gezielt auf einen Universitätsstand zumarschierten. Nach den Entscheidungskriterien befragt, stellte ich fest, dass die Devisenkurse eine nicht unerhebliche Rolle spielten. Waren es bis letztes Jahr die USA, England, Australien und West-Europa, so sind momentan die baltischen Staaten, Ost-Europa und Asien als Studienorte gefragt.

Wie viele Türken gehen zu Studienzwecken ins Ausland?

Der Koordinator der Messe, Deniz Akar, sagt, dass jedes Jahr über 100.000 türkische Studenten den Weg ins Ausland gehen. Der Markt verfüge derzeit über einen Umfang von 1,5 Milliarden Euro.

Die Türkei sei unter den Top 5, wenn es um das Studium im Ausland gehe. Bis 2020 gehe man von 8 Mio. Studenten aus, die nicht im Heimatland sondern im Ausland studieren werden.

Die Türkei wird, wie bis jetzt auch, zu den Spitzenreitern zählen und einige Hunderttausend Studenten ins Ausland schicken.

Die Bildungsberatung versagt

Da ich grundsätzlich hinter dem Schmunzeleffekt hinterher bin, kam ich auf meine Kosten. „Warum haben Sie sich für die XY Universität in England entschieden?“ fragte ich die Eltern und den Junior. „Da hat auch unser letzter Präsident studiert, wie viele, die sonst auch in hohen Staatsämtern sind. Ich will ja, dass meine Investition sich irgendwann mal auszahlt. Sie sehen, was die anderen so mitnehmen. Das kann sich lohnen. “ sagte der Vater.

In den einzelnen Sitzungssälen gab es die allgemeinen Länderinformationen, zu den einzelnen Ländern.

Am Ende entschied man sich nach Bauchgefühl, wenn man schon im Vorfeld keine Empfehlung mit auf dem Weg bekam. Schöne Fotos, viel Grün, einigermaßen ordentlicher Preis und schon war man eingeschrieben.

Von den 50.000 Besuchern an zwei Tagen waren auch sehr viele dabei, die nur von einem Auslandsstudium träumen konnten.

Ich gehe mal davon aus, dass die meisten nicht gut und richtig beraten wurden. Ging man auf einen Universitätsstand der Messe zu, traf man immer auf das Beste, was gibt. So, wie die Pizzabäcker der USA. Jeder hat die weltbeste Pizza überhaupt.

Ging man auf ein Beratungsunternehmen zu, die gleich mehrere Unis unter Vertrag hatten, fing das Gespräch zumeist so an: „Was haben Sie sich denn vorgestellt? An welcher schönen Universität würden Sie gerne studieren? Schauen Sie sich doch mal diese Bilder an. Da haben wir einmal … und dann …“.

Dass viel Geld im Spiel ist, konnte man auch an den Vermittlungsunternehmen sehen. Diese teilten auf Anfrage mit, dass sie 10 bis 60 Angestellte beschäftigten.

Während ich mich mit diesen Eindrücken erschöpft von der Messe entfernte, rief mich ein Freund an: „Hör mal Ahmet, ich möchte nicht mal bis Ende des Schuljahres warten. Ich gründe in Deutschland eine Firma, gehe mit der Familie (Ehefrau und Kinder 7, 10 und 13 Jahre alt) dorthin. Ich mit Geschäftsvisa und die mit Touristenvisa. Dann lasse ich die Kinder dort in der Schule einschreiben. Sie sollen ein Jahr sitzenbleiben und die deutsche Sprache in der Schule lernen. Meinst du, dass das funktionieren kann?“.

Auf meine Gegenfrage, warum er so hastig agiert und solch eine Entscheidung getroffen hätte, antwortet er: „So kann es nicht weitergehen. Jedes der Kinder hat jeweils 5-6kg Schulbücher und 10 kg Hausaufgabenhefte und sonstige Bücher. Lernen tun sie dennoch nichts, dafür sind die Kinder aber von Morgens 6:30 Uhr bis abends 21:30 Uhr mit Schule, Hausaufgaben und Nachhilfe befasst. Samstags und manchmal auch an Sonntagen. Das ist doch kein Kinderleben. Wir müssen weg hier“.

Mit dieser Sichtweise steht er nicht alleine da.

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