Sie lieben mich, sie lieben mich nicht, sie lieben mich, sie …

Mein Blog und meine starke Präsenz bei xing.com hat es mit sich gebracht, dass ich zu ‘Ahmet Abi” (“abi” sagt man im Türkischen zum älteren Bruder, und ist eine Art der Respektbezeugung, da innerhalb der Familie gilt: “je älter, umso mehr Respekt wird entgegengebracht”) oder ‘Ahmet Bey’ (“Bey”= “Herr” bedeutet viel, in einem Land, in dem man eher zum Duzen tendiert) der Menschen mit türkischem Ursprung in Deutschland wurde. Ich helfe dieser Gruppe gerne, wo ich nur kann. Nur hat es in der letzten Zeit überhandgenommen. Nach getaner Arbeit als Türkei-Coach für deutsche und Schweizer Unternehmen, die den türkischen Markt in Angriff nehmen, verwende ich nun auch meine Abende dafür, Wege und Möglichkeiten in Bezug auf Praktikums- und Arbeitsstellen in der Türkei aufzuzeigen.  Es geht nun sogar so weit, dass ich manchmal die Geschäftsessen ausfallen lasse, nur um einigen meiner Zuhörer mehr Rede und Antwort stehen zu können..

Es wird nicht weniger sondern immer mehr. Dabei bin ich selbst ein Rückkehrwilliger. Jetzt denken alle, der ist doch schon in der Türkei. Stimmt ! Lieber würde ich nach Deutschland zurückkehren. Zumindest überkommt mich dieses Gefühl ab und an. Wer in Deutschland aufgewachsen ist, kann sich in der Türkei nicht wohlfühlen. Ausgenommen hiervon sind natürlich die eine Handvoll an Menschen, die das Glück in der Türkei eingefangen haben, und die Urdeutschen, die sich wie die Sonnenblumen nur der Sonne zuwenden und für die die Türkei das Größte ist, was sie sich vorstellen können, wobei sie aber stets in ihrer kleinen deutschen Gemeinde Kaş oder Alanya bleiben.

Die Türkei ist gut zu den Ausländern, die dann schnell heimisch werden, aber nicht zu den eigenen Landleuten. Schon gar nicht den Deutschland-Türken. Wenn sich diese Gruppe in Deutschland als Mensch 2. Klasse fühlt, dann bilden sie in der Türkei die 3. Klasse oder sagen wir die Sonderklasse, wobei das Praefix hier gewiss nicht im positiven Sinne gemeint ist.Verglichen mit 2012 muss ich sagen, dass die Zahl der Rückkehrwilligen sich verdoppelt hat. Das sind “denerischen” Zahlen aus dem Hause ‘DenerStat’. Ich muss es wissen. 🙂

Ich wundere mich immer wieder, was diese Menschen Richtung Türkei treibt. Mittlerweile glaube ich auch, dass sie glauben, benachteiligt zu werden, weil sie so oft darüber in den Medien lesen. Immer mehr junge Menschen in Ausbildung und StudentInnen, die ihren Abschluss noch nicht haben, machen schon Pläne für die Zeit danach, und dieses Leben spielt sich in ihren Köpfen meist in der Türkei ab. Die Türkei könnte gut mit dieser Gruppe leben, ja sogar sehr weit kommen. Nur will man sie gar nicht. Nicht das man diese Gruppe draußen halten wollte, nein sie ist nicht existent, sie haben kein Lobby.

Lobbyarbeit ist auch nicht möglich, zumal die Menschen türkischen Ursprungs in der Türkei wie woanders selten an einem Strang ziehen. Wenn sieben Deutsche zusammenkommen einen Verein gründen, so stechen sich zwei Türken, die zusammenkommen, die Augen aus. Damit möchte ich sagen, dass der Zusammenhalt nicht da ist. Nur in einem Punkt ist man wie auch immer zu einer Einigung erlangt: dass sie in Deutschland benachteiligt werden.

Was sollen die deutschen Jugendlichen und junge Akademiker sagen, die keinen Job finden. “Die Deutschen benachteiligen uns !” geht wohl schlecht. So ist nun mal die Marktsituation. Bei einigen sogar bei vielen, die mich kontaktieren stelle ich Defizite fest, wie sie sich anpreisen. Wie ein Krebsgeschwür ist in den Köpfen der Glaube : “Ich bin ein Benachteiligter, die werden mich bestimmt ablehnen weil ich türkischen Ursprungs bin.” Was ist mit den Ur-Deutschen, die abgelehnt werden. Meint man, dass bei einem DNA Test denen auch etwas Türkisches nachgewiesen werden würde ?

“Ich habe studiert und den Abschluss mit einer guten Note gemacht. Also bin ich gut !” Jede Absage auf eine Bewerbung ist bei den meisten mit Migrationshintergrund wie ein Schlag ins Gesicht. Sie kennen den Grund. “Wäre ich ein Deutscher, hätten sie mich bestimmt genommen.” Woher will man das wissen ? Wenn sich jeder Mensch so gut einschätzen würde bzw. könnte würde man sich gezielt bei einigen wenigen Stellen bewerben, wohlwissend: “Die können mich sowieso nicht ablehnen !”

Was ist zu tun, dass dieser Personenkreis der Migrantenkinder mit Deutschland-Frust nicht wie die Wale am Strand verenden und in eine Frustzukunft steuern ? Ich schaffe es, die meisten geradezurichten. Das kostet viel Kraft aber das geht. Sie müssen sehen, wie es auf der anderen Seite zugeht, und ob es Sinn macht auf ein Zukunft in der Türkei zu setzen.

Ich denke in diesem Stadium des Gefühlschaos bei den Migrantenkindern bzw. -jugendlichen, denen schon als kleine Kinder ins Ohr geflüstert wird, dass sie in Deutschland benachteiligt werden. Sie müssen als eine große Chance angesehen werden – für Deutschland und für die Türkei, diese Menschen für sich zu gewinnen. Wer es schafft, gewinnt !

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