Eine Reise aus dem Provinznest Istanbul in die übergeile Weltmetropole Berlin sieht in der Regel wie folgt aus:

Der Autor Stefan Witzel ist mein Kontakt über XING. Bei den Forumsbeitraegen in meiner XING Gruppe D Project Türkei http://www.xing.com/net/dproject ist er der KING, wenn es um Türkei-Themen geht. Er hat den totalen Überblick und zwar soviel, dass ihm kein Einheimischer das Wasser reichen kann (behaupte ich mal) 🙂 Stefan Witzel ist der Spielführer von Medialoft Berlin/Istanbul. Branche: Medienproduktion, Filmproduktion, DVD / Blu-ray-Produktion, DVD / Blu-ray-Authoring, Post-Produktion, Motion Graphics, Visual FX Supervision
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Die Reise aus dem Provinznest Istanbul in die übergeile Weltmetropole Berlin
Tegel: Man steigt aus dem Flieger und gerät noch in der Brücke zum Terminal in den Rückstau der Passkontrolle, der bis zurück ins Flugzeug reicht. Das ist einmalig auf der Welt. Dann sitzen da zwei grüne Pappnasen und checken gemütlich die Pässe.
Die Schilder “EU-Bürger” und “Alle anderen asozialen Staaten” haben eine Bedeutung – und wehe man steht falsch! Danach wartet man ungefähr genau so lange wie man geflogen ist auf seine Koffer. Noch hat man es nicht geschafft.
Wieder zwei bis drei grüne Pappnasen – diesmal vom Zoll. Die haben Gummihandschuhe an, wie die Urologen bei der Rektal-Untersuchung.
Reihenweise werden (natürlich nur bei südländisch aussehenden Bürgern mit Migrationshintergrund) Schafskäse, Sucuk und Waldhonig aus den Koffern gefischt.
Wer Geld hat (früher hatte ich noch welches) und masochistisch veranlagt ist, fährt man mit einer Taxi – um sich vom Fahrer proletenhaft anpöbeln zu lassen, weil man ja “nur” nach Kreuzberg fährt, und er nach 3 Stunden warten jetzt “nur” 30 Euro verdienen wird.
Während der Fahrt erfährt man dann, dass der Fahrer mit polnischem Namen nicht die vielen Araber und Türken in Kreuzberg mag und nicht versteht, wie dieses Pack sich nicht integrieren kann. Zwischendurch frage ich ihn, was er denn sagen würde, wenn man ihm in der dritten Generation einen polnischen Migrationshintergrund andichten würde. Der Fahrer lacht nur.
Nach der Fahrt wirkt der Fahrer etwas pikiert, weil ich beim Fahrpreis von 27,10 nicht auf 30 aufrunde, sondern noch einen Euro zurück haben will.
Noch zu erwähnen wäre, dass es Hochsommer ist, die Aussentemperatur aber 17 Grad beträgt und es regnet wie Sau.
Schönefeld:
Man steigt aus dem Flieger und muss erstmal über eine lange Treppe in den Keller.
Frauen mit Kinderwagen müssen selbst zusehen, wie sie da runter kommen.
Unten angekommen wartet man in einer barackenähnlichen Halle wieder an der mit zwei grünen Pappnasen unterbesetzten Passkontrolle.
Man hört zwischendurch Fragen wie “wat du you wont in germenie?”
Obwohl der Befragte ein gültiges Visum hat (und nach einigen Urteilen des europäischen Gerichthofes eigentlich kein Visum bräuchte) muss er sich solche dämlichen Fragen gefallen lassen, darf der Pappnase nicht auf die selbige hauen.
Beim Warten auf die Koffer denkt man ebenso, dass die wahrscheinlich mit der nächsten Maschine eingeflogen werden.
Und wieder warten die grünen Gestalten mit den feuchten Gummihandschuhen.
Und wieder wird ein Festmahl aus den Koffern aufgetischt: Wurst, Käse, Fleisch.
Und wieder sind es nur 17 Grad und es regnet wie Sau. Na ja, es ist ja erst Mitte Juli, das wird schon noch, denke ich.
Diesmal tue ich mir keine Taxe an, nehme den Flughafenbus zum U-Bahnhof Rudow.
5 weitere Fahrgäste mit Koffern steigen ein und belegen mit ihrem Gepäck die Parkbucht für Kinderwagen und Rollstühle. Zwei Stationen weiter steigt eine Frau mit einem Kinderwagen ein. Daraufhin grunzt der Fahrer ins Mikrofon: “MAL BITTE DIE KINDERWAGENBUCHT FREIMACHEN!”.
Ich denke mir, wohin nur mit den ganzen Koffern. Irgendwie ist das ja auch ein Flughafenbus. Na ja, in Rudow angekommen gibt es nur eine Treppe zur U-Bahn.
Ich helfe zwei Damen nacheinander, die Koffer runterzutragen. Wer konnte denn bei der BVG auch ahnen, dass hier ständig Leute mit Koffern ankommen.
Am Bahnsteig brüllt der Zugabfertiger mal eben “MIT DEM FARRAD NICHT IN DEN ERSTEN WAGEN !!!” ins Mikro. Ich schrecke auf, kann aber nicht gemeint sein, ich hab nur einen Koffer.
Angekommen in Kreuzberg, Kottbusser-Tor. Es riecht nach Pisse. Jetzt weiss ich, ich bin tatsächlich angekommen. Bis zu meiner Bleibe werde ich noch so oft nach einem Euro gefragt, dass ich mir fürs selbe Geld auch eine Taxi nehmen könnte.
Zum Glück war das eine HINFAHRT. Meine RÜCKFAHRT geht wieder zurück in das Provinznest am Bosporus. Dort angekommen (Sabiha Gökcen) schwebe ich über einen schwarzglänzenden Marmorfussboden, von dem man Essen könnte zu der Passkontrolle, wo mich etwa 20 blaue Pappnasen begrüssen. Die Schilder “Türk Vatandaşlık” und “Other Nationalities” haben nichts zu bedeuten. Wehe man hält sich daran. Aber das machen auch nur die Deutschen und werden von blauen Pappnasen höflich gebeten, sich gleichmäßig zu verteilen.
Der Koffer ist natürlich schon da. Jetzt noch schnell einkaufen: 5 Stangen Kippen, 5 Flaschen Suff, vor allem Raki, der ist um die Hälfte billiger als draussen.
Am Ausgang interessiert es keinen, was ich im Gepäck geschmuggelt habe, weitere blaue Pappnasen sehe ich nicht.
Dann geht es mit einem gepflegten grossen Reisebus (Havatas) nach Kadiköy, für 8 Lira. Den Koffer nimmt mir der Fahrer ab, verstaut ihn im Gepäckraum und bietet mir eine Kippe an. Wir quatschen über die vielen Touristen. Er meint, der Flughafen ist wie ein Backofen. Unten im Erdgeschoss kommen die Touris weiss an und werden in den Ofen geschoben, nach ein zwei Wochen kommen sie oben im ersten Stock knackig braun wieder raus und werden nach Hause geflogen.
Es ist schön warm. Und es riecht nicht nach Pisse. Ich freue mich, wieder da zu sein.
Ich als Provinz-Ei bin derartige Ausflüge in solche Weltmetropole nicht gewohnt, finde sie belastend.
Und wer glaubt, das ist nur so vorübergehend so mit den Flughäfen in Berlin – Nein, das ist immer so. In Schönefeld seit dem Mauerfall, und Tegel seit mindestens 30 Jahren.
Und jetzt haben sie einen ganzen Flughafen verkackt. Das muss man erstmal bringen. Der verantwortliche Bürgermeister findet trotzdem, das Berlin zwar arm aber sexy ist.
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