Türkischer Maschinenbau stark im Kommen !

Der türkische Maschinenbau befindet sich in der Qualitätsoffensive. Ziel ist die Verbesserung von Standardmaschinen, ohne preislich nachrüsten zu müssen. Insbesondere bei Maschinen zur Blecharbeitung scheint das die richtige Strategie zu sein. Dabei werden die Erfolge im Inland für weltweite Geschäfte genutzt.
Zum hundertjährigen Jubiläum der Gründung des Staates Türkei wünscht sich die Regierung in Ankara ein großes Geschenk von den lokalen Maschinenherstellern. Bis zum Jahr 2023 soll das Exportvolumen im türkischen Maschinenbau auf 100 Mrd. US-Dollar steigen. So sieht es der Strategie- und Aktionsplan vor, den das dortige Industrie- und Handelsministerium im vergangenen Jahr ausgearbeitet hat. Zu den ersten Aktionen gehört, bis zum Jahr 2014 für verbesserte Rahmenbedingungen zu sorgen – bei der Finanzierung, der Berufsausbildung sowie in der Forschung.
Türkischer Exportverband MAIB hat sich viel vorgenommen.
Das Ziel ist sehr ambitioniert. Im vergangenen Jahr lag das Exportvolumen im türkischen Maschinenbau nach Angaben des Statistikinstituts TÜIK in Ankara bei 11,5 Mrd. US-Dollar. Um die Marke von 100 Mrd. US-Dollar zu erreichen, müsste es in den anstehenden zwölf Jahren ähnlich hohe Wachstumsraten im Durchschnitt haben wie in der Dekade zuvor. Von 2001 bis 2011 stieg der Wert exportierter Maschinen um durchschnittlich gut 20%.
Das hat der Türkei Platz 6 im europäischen Maschinenhandel und Platz 17 im weltweiten Maschinenexport eingebracht. Nun soll die Entwicklung mit unverminderter Geschwindigkeit weitergehen. Das klingt wie eine Geschichte aus „1001 Nacht“.
Bei Standardmaschinen hat der türkische Maschinenbau zum Ausland aufgeschlossen
Im Standardmaschinenbereich hat der türkische Maschinenbau zum Ausland aufgeschlossen, zum Beispiel zu Italien, Japan und den USA. Überdurchschnittlich ist der Erfolg bei Maschinen zur Blech- und Rohrbearbeitung. „Wir haben die Qualität der Maschinen erhöht, ohne das Preis-Leistungs-Verhältnis aus dem Auge zu verlieren“, erläutert Yusuf Öksüzömer, Vorsitzender des türkischen Maschinenbauverbands MIB. Auf der Industriemesse WIN 2012 – Part 1, Ende Januar in Istanbul, die von der türkischen Tochter des Hannover-Messe-Veranstalters ausgerichtet wurde, machten lokale Aussteller aus dem Maschinenbau den Vorteil deutlich, vor allem beim Abkanten, Stanznibbeln, Plasma- und Laserschneiden.
Die Gründe dafür findet man auf dem heimischen Markt. Die türkische Metallbearbeitung steht unter Modernisierungsdruck, insbesondere im Fahrzeugbau, in der Elektrobranche und der Hausgerätefertigung. Als Zulieferer globaler OEM-Unternehmen ist sie noch stärker als der lokale Maschinenbau den Regeln des Weltmarkts unterworfen.
In der Türkei sind die Maschinen der Metallbearbeiter im Durchschnitt deutlich älter als in Deutschland. „Landesweit modernisieren und erweitern Betriebe ihren Maschinenpark“, berichtet Öksüzömer. „Dabei wird meist zu Standardmaschinen gegriffen.“ Sie genügten den gehoben Qualitätsansprüchen – und das im Vergleich zu deutschen Maschinen „zu sehr wettbewerbsfähigen Preisen“.
Unterschiede liegen in High-End-Ausstattung, Maschinendesign und Automatisierung
Die Unterschiede liegen in der High-End-Ausstattung, dem Maschinendesign und der Automatisierung rund um Bearbeitungsprozess. Dieses fehlende letzte Stück Qualität kommt in der türkischen Metallbearbeitung weniger zum Tragen als in Hochlohnländern wie Deutschland. Es mache, sagt Öksüzömer, die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der lokalen Maschinenhersteller aus. Dennoch ist es das Ziel von immer mehr Herstellern, qualitativ weiter aufzuschließen.
Auf der Industriemesse in Istanbul zeigte sich das besonders beim Laserschneiden. „Auf diesem Gebiet sind die deutschen Hersteller weltweit führend“, sagt Özgür Eratli, Verkaufsleiter beim Maschinenhersteller Durmazlar in Bursa, der die Laserschneidmaschine Durma HD-F auf der Messe am Markt einführte. „Wir haben von Deutschland viel gelernt.“
Der Erfolg spiegelt sich im Auslandsgeschäft wider. Wer Maschinen exportiert, muss weltweite Standards wie Automatisierung beherrschen. „Die Verbindung automatischer Kontroll- und Handlingsysteme mit dem Bearbeitungsprozess ist sehr wichtig für Maschinenhersteller, die auf dem Weltmarkt agieren“, registriert Öksüzömer. So verfolgt der Chef des türkischen Maschinenbauverbands die Aktivitäten der Branche aufmerksam, in denen die Verknüpfung von Mechanik und Elektronik vorgetrieben wird: „Die Mechatronik ist etwas Neues in der Türkei.“ Laut Öksüzömer wird sie der Einstieg türkischer Maschinenhersteller in das Geschäft als Systemlieferanten sein. Diese Entwicklung dauere noch eine Weile.
Antrieb- und Steuerungskomponenten kommen von globalen Anbietern
Jedoch gibt sie bereits einen Einblick in die typischen Entwicklungs- und Fertigungsstrukturen im türkischen Maschinenbau. „Wer auf Qualität setzt, hält alle Prozesse zusammen“, sagt Eratli. Das gilt insbesondere für Maschinenhersteller, die exportieren. Sie fertigen die mechanischen Komponenten für ihre Maschinen selbst oder haben die mechanische Fertigung wie der Maschinenhersteller Durmazlar an einen Zulieferer innerhalb der eigenen Firmengruppe verlagert.
Der Rest wie Antrieb- und Steuerungskomponenten kommt von globalen Anbietern. Auf diese Weise baut Durmazlar rund 6500 Maschinen im Jahr. Davon gehen etwa 80% in den Export. „Wir haben weltweit das größte Maschinenportfolio für die Blechbearbeitung“, berichtet Eratli
„Mit dieser Strategie ist der türkische Maschinenbau heute in einer guten Position“, stellt Öksüzömer fest. Von der Maschinennachfrage, die der hohe Bedarf an Blechteilen nach der Wirtschaftskrise im In- und Ausland auslöste, profitiert er in besonderem Maße. So stieg in der Türkei die Blechnachfrage 2010 um 43% auf 12 Mio. t im Vergleich zum Jahr davor. Das entsprach etwa der Hälfte der dortigen Gesamtnachfrage nach Stahlvorprodukten. Diese Entwicklung hat bei den türkischen Werkzeugmaschinen die Mehrheitsverhältnisse in wenigen Jahren umgedreht. Heute entfallen gut zwei Drittel der vor Ort gebauten Maschinen auf die Blechbearbeitung. Der Rest sind spanende Maschinen.
Italienische Maschinenhersteller müssen sich warm anziehen
Diese Entwicklung haben besonders italienische Maschinenhersteller zu spüren bekommen. „Waren sie vor der Krise für die türkische Blechbearbeitung ein wichtiger Lieferant“, registriert Eratli, hat ihre Marktmacht nachgelassen.“ Die Ursache dafür liegt nach seiner Marktbeobachtung in einem nahezu verschwundenen Qualitätsunterschied der Maschinen: Italienische Hersteller punkteten heute nur noch beim Maschinendesign.
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