Gekommen, um nicht zu bleiben.

Nächtigungen steigen seit zwei Jahren um circa 30 Prozent. Türkische Touristen kommen aus der Ober- und besseren Mittelschicht, gehen gerne einkaufen – und kommen dann, wenn andere Touristen zu Hause bleiben.
Wien. Viele wollen in ihnen nur das Klischee von armen Bauern aus Anatolien sehen und nicht das Bild von reichen Fremden aus 1000 und einer Nacht. Dabei könnte ihnen Letzteres in absehbarer Zeit viel gerechter werden. Kaufkräftige Türken haben nämlich Österreich entdeckt: Keine Einwanderer, sondern Touristen aus der türkischen Ober- und besseren Mittelschicht, die verhältnismäßig viel Geld im Land lassen.
Aktuellen Zahlen von Wien-Tourismus zufolge ist die Anzahl der türkischen Touristen in Wien seit Jahren im Steigen – 2011 gab es 30,8 Prozent mehr Übernachtungen als im Jahr davor, schon von 2009 auf 2010 ging die Zahl der Nächtigungen um 34 Prozent hinauf. Damit steht die Türkei heuer mit rund 103.000 Nächtigungen auf Platz 22 der Wiener Herkunftsmärkte. 2007 waren es noch rund 46.400 Nächtigungen.
„Österreich ist unter den türkischen Reisenden derzeit sehr beliebt“, sagt Yaprak Renda, Managerin von Hotelmaster Training & Consulting. Renda bereitet seit 30 Jahren den österreichischen Markt für türkische Touristen auf.
Gesellige Gäste
Nicht ohne Grund: „Türkische Touristen sind sehr zahlungsfreudig“, sagt Renda. Was an deren Mentalität liege. Sie sind gesellig und reisen oft in Gruppen mit vielen Freunden. Im Gegensatz zu Besuchern aus anderen Ländern würden sie die heimische Gastroinfrastruktur gerne in Anspruch nehmen: Sie trinken beim Warten schon einmal ein Getränk an der Bar (es dauert, bis sich eine große Reisegruppe zusammengefunden hat) und gehen „nicht mit dem Supermarktsackerl aufs Zimmer“.
Das Interesse an den türkischen Touristen kommt nicht von ungefähr: Die türkische Volkswirtschaft zählt zu den am schnellsten wachsenden der Welt. Gleichzeitig ist die türkische Bevölkerung mit einem Altersdurchschnitt von unter 30 Jahren sehr jung.
Für die Zukunft sind das gute Aussichten – auch für Österreich. „Wenn sich ein Reiseziel einmal auf dem türkischen Markt etabliert hat, dann wollen nämlich alle dorthin“, sagt Renda. Und derzeit gäbe es viele gute Reiseangebote nach Österreich. Meistens in Kombination mit anderen Städten wie Budapest und Prag.
Einmal in Wien, bleiben die Touristen für ein bisschen mehr als zwei Tage. Wobei sich ziemlich genau die Hälfte der türkischen Touristen im Viersternhotel und 14,4 Prozent im Fünfsternhotel einquartieren. Damit leben sie besser als Touristen aus anderen Ländern, die sich im Durchschnitt zu 45 Prozent in Viersternhotels aufhalten.
In ihrem Verhalten unterscheiden sie sich dafür nicht sehr von Besuchern aus anderen Ländern: Ein Konzert darf bei türkischen Touristen ebenso wenig fehlen wie Sightseeing-Aktivitäten oder ein Abstecher zum Heurigen. Besonders beliebt seien laut Renda auch Einkaufstouren nach Parndorf: „Da wird kräftig eingekauft.“
Und noch etwas macht die Türken zu idealen Touristen: Sie reisen atypisch und kommen auch gerne im Herbst oder Ende Winter. 2010 fanden die meisten Türken im November ihren Weg nach Wien, auch 2011 kamen im November mehr türkische Touristen als im August. Renda vermutet, dass das Reiseverhalten mit den türkischen Feiertagen zusammenhängt. Letztere würden sich von Jahr zu Jahr verschieben.
Flaute nach negativen Berichten
Doch es gibt auch Probleme: Der Ruf der Österreicher, ausländerfeindlich zu sein, hat sich herumgesprochen. „Jedes Mal, wenn wieder eine türkenfeindliche Berichterstattung die österreichischen Medien dominiert, dann bricht der türkische Reisemarkt zusammen“, sagt Renda. Nach drei bis sechs Wochen sei diese Flaute aber meistens wieder vorbei. Türkische Touristen haben wohl eine weitere günstige Eigenschaft: Sie sind nicht nachtragend.

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