Gesunheitsrisiko Migration ?

Karikaturtext : Eigentlich haben Sie nichts, um Sie aber zu verwirren, werde ich mit Ihnen eine Menge Tests machen !

Autor: Christiane Hawranek
Viele türkischstämmige Migranten beschreiben Schmerz ganz anders als Deutsche: “Die Welt zerbricht mir über dem Kopf” ist eine beliebte Redewendung. Für Ärzte ist es dann schwierig herauszufinden, ob Kopfschmerzen, Schnupfen oder familiäre Probleme dahinterstecken.

Auswandern an sich macht nicht krank – es sind die Lebensumstände, die krank machen können. Vor allem, was die Vorsorge betrifft, gibt es Probleme, sagt Petrit Beqiri von der Unabhängigen Patientenberatung: “Kinder mit Migrationshintergrund bekommen seltener als deutsche Kinder die Früherkennungsuntersuchungen U1 bis U9.” Migrantenkinder haben Studien zufolge außerdem häufiger Karies auf den Zähnen und neigen eher zum Übergewicht. Die Lebensumstände unterscheiden sich von der deutschen Bevölkerung: Menschen mit Migrationshintergrund treiben durchschnittlich weniger Sport, rauchen häufiger, aber trinken dafür auch weniger Alkohol.
Symptome werden anders geschildert

Durch die Sprachbarriere ist es vielen Migranten unangenehm, zum Arzt zu gehen. Es kommt zu Missverständnissen, wenn sie ihre Symptome schildern. Die Mediziner machen viele Untersuchungen und verschreiben eine Vielzahl von Medikamenten. Wie diese eingenommen werden sollen, darüber sind sich aber manche Migranten nicht im Klaren. Der Integrationsbeauftragte des Hartmannbundes Ozan Eren erzählt ein Beispiel von seiner Großmutter: Sie hatte bei ihrem Arztbesuch verstanden, sie solle ihre Tabletten “ein Mal” nehmen. Also hat sie nur ein Mal eine Tablette aus einer 200er-Packung genommen – und die anderen 199 Stück, die sie eigentlich im Laufe der Zeit hätte nehmen sollen, sind in ihrem Medikamentenschrank geblieben.

Interkulturelle Behandlungsmethoden können helfen

Ozan Eren, der gerade sein Medizinstudium beendet, bemängelt: “In meinem Studium ging es nie um die speziellen Bedürfnisse von Migranten.” Generell benötigen sie mehr Zeit im Arzt-Patientengespräch. Außerdem gibt es Krankheiten, die in anderen Bevölkerungsgruppen häufiger vorkommen. Die türkischstämmige Psychiaterin Elif Cindik berichtet von einer Mutter, die mit ihrer kleinen Tochter von Arzt zu Arzt gegangen ist. Erst der Siebte konnte feststellen, was der Kleinen fehlte: Sie hatte das Mittelmeerfieber. Der Arzt war griechischer Herkunft und kannte daher die seltene Erbkrankheit, die vor allem Mittelmeer-Anrainer betrifft.

Therapeuten können helfen

Insgesamt gehen Menschen mit Migrationshintergrund seltener zum Arzt als Deutsche, eben weil sie unangenehme Situationen vermeiden wollen, in denen sie kein Wort von dem verstehen, was ihnen der Arzt sagen möchte. Neben Medizinern, die die Muttersprache der Patienten beherrschen, könnten Dolmetscher hier Vertrauen schaffen, findet Psychiaterin Cindik aus München. Sie behandelt viele Migranten, die mit Depressionen zu kämpfen haben. Diese können teilweise davon herrühren, dass Migrieren Stress pur ist für den Geist: Einsamkeit, Heimweh, das Gefühl, fremd zu sein sind Probleme, die viele Migranten kennen.

Die Phasen der Auswanderung

Phase 1: Angekommen im neuen Land – 1.000 fremde und spannende Eindrücke: Die neue Heimat empfindet der Migrant als fast schon übertrieben toll – wie durch eine “rosarote Brille” betrachtet. Risiken und mögliche Enttäuschungen verdrängen viele Einwanderer in dieser Zeit.

Phase 2: Die Rückkehr-Illusion – “Eigentlich war zu Hause alles besser”: Es folgt die Zeit der Dekompensation. Die Heimat wird idealisiert, die Familie spart Geld für die Rückkehr. Nur – diese Rückkehr wird immer wieder aufgeschoben.

Phase 3: Die generationenübergreifende Anpassung: Deutsch und Türkisch, Deutsch und Griechisch, Deutsch und Ungarisch zugleich: Es kommt zu binationalen Ehen, Enkel wachsen in Deutschland auf – und der Wunsch, endgültig in die Heimat zurückzukehren, wird immer kleiner.

Nach dem amerikanischen Psychologen Carlos Sluzki.

http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/notizbuch/migranten-interkulturelle-behandlungsmethoden100.html

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