Wir begegneten uns das erste Mal

Die Wenigsten wissen wie fortschrittlich, wohlgemerkt für die jeweilige Zeit, die Länder mit überwiegend muslimischer Bevölkerung wie, Iran, Irak, Ägypten, Türkei u.a. waren. Um das den Europäern, aber auch manchen jüngeren Türken zu zeigen, die mit Erdogan groß geworden sind, hat mein Freund Emrah aus der Schweiz die Gruppe „Before Sharia Spoiled Everything“ auf Facebook gegründet. Da wir an bei vielen Dingen an einem Strang ziehen, stieß ich einige Stunden später dazu, neuerdings ist auch die liebe Eylem als Admin mit dabei.

Bevor ich zum eigentlichen Zweck des Beitrages komme, möchte ich erwähnen, dass die Gruppe für viele Mitglieder ein zweites Facebook-Zuhause geworden ist. Alle haben sie Spaß daran. Staunen, wie säkular die o.g. Länder waren und wie gut die Menschen auf den Fotos drauf waren.

Die Menschen auf den Fotos strahlen Freude aus und haben einen ganz klaren Blick, was z.B. in der heutigen Türkei nicht mehr der Fall ist. Ich habe nicht viel Ahnung von der Religion. Aber ich weiß was passiert, wenn man den Islam zu hoch dosiert. Siehe Türkei!

Auch passieren schöne und seltsame Dinge in der Gruppe. Auf einem Foto erkennt jemand seine Verwandten aus der ostanatolischen Stadt Kars und exakt auf demselben Foto erkennt jemand Freundinnen aus Deutschland. Das Foto scheint aus Kars zu sein.

Dann haben wir ein Mitglied, das eine Schwimmerin der iranischen Nationalmannschaft auf dem Foto erkannte und uns berichten konnte, dass die allesamt nach Khomeini das Land verließen.

Ich selber hatte auch ein schönes Erlebnis der wundersamen Art. Stell dir vor, du warst in einer Schulklasse gerade mal 3 bis 4 Monate, bevor du die Schule gewechselt hast und ein Klassenkamerad erkennt dich wieder. Das geht, sagst du! Aber doch nicht nach 45 Jahren? Es ist aber passiert.

Er fragte: „Bist du der Ahmet, der ganz kurz auf dem Gymnasium Bülowstraße in Köln war?“ Mir blieb fast die Luft weg. Ja, der war ich.

Die Geschichte hätte ich evtl. nicht erzählt, aber als ich ein Foto von mir teilte und dazu schrieb, dass ich in meinem Leben mit meinen Eltern und Brüdern immer von Stadt zu Stadt zog, fragte von den Mitgliedern Michael G., ob ich durch die vielen Umzüge überhaupt Freunde gehabt hätte. Da fiel mir diese Geschichte nochmals ein.

Harald R. konnte sich an mich erinnern, weil ich gerade aus der Türkei gekommen war und nicht ausreichend Deutsch konnte. Harald sagte, dass er damals Mitleid mit mir gehabt und sich gefragt hat: “Wie soll er das nur schaffen?”

So in etwa sah ich aus, als ich dem Reptil begegnete.

Ich kann mich noch an eine Biologiestunde erinnern. Der Lehrer hieß Herr Hammer und gab mir ein Reptil in einem Glas in die Hand. “Überlege 15 Minuten, was du uns darüber erzählen kannst!” sagte er. Das Reptil und ich haben uns angeschaut. So etwas kannte ich nur aus den Fotos before sharia spoiled everything. Wir begegneten uns das erste Mal. “Ich bin Ahmet” sagte ich. “Reptil, angenehm!” sagte es, aber es gab nicht preis, was für eine Art von Reptil es war. Tote Tiere reden nun mal nicht. Die Zeit verging und Herr Hammer rief mich mit dem Reptil zur Tafel. “Was ist das für ein Reptil?” fragte Herr Hammer mich. Solche Fragestellungen kannte ich aus TV-Shows. Ich antwortete mit einer Gegenfrage: “Kann ich diese Frage zurückstellen?”  Nein, natürlich habe ich das nicht getan. Ich muss dermaßen Mitleid erregt haben, dass sich nach 45 Jahren ein Klassenkamerad an mich erinnerte und sich bei mir meldete, obwohl ich mit ihm nur vier Monate in einer Klasse war.

 

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