Wo sind die Kinderträume geblieben?

Vor einigen Tagen traf ich einen Bekannten in der Stadt. Er hatte auch seinen Sohn dabei. Da ergriffen wir die Gelegenheit und wollten ein Kaffee trinken und wie man hier in der Türkei zu sagen pflegt: „Die Welt retten.“

Während die Kinder sich an einen separaten Tisch setzten, fingen wir an zuerst die Türkei zu retten. Wir waren, zum Glück, einer Meinung. So blieb es nicht aus, dass ich, wie immer in Redefluss kam und an so einem kleinen Ort wie Alanya noch einige andere Freunde und Bekannte, die gerade an uns vorbeizogen, sich dazu gesellten. So boten sie mir die Bühne, die ich brauchte, um richtig in Fahrt zu kommen.

Nach knapp drei Stunden Smalltalk, waren die später hinzugekommenen gegangen und wir saßen wieder zu zweit am Tisch. Ein Blick zu den Kindern und Schock! Beide spielten auf ihren Tablets und zwar jeder für sich alleine.

Während bei uns älteren die Gespräche kein Ende fanden, hatten die beiden in knapp drei Stunden, nicht ein Wort miteinander gewechselt.

„Auf die Frage, warum habt Ihr den nicht miteinander geredet?“  kam die prompte Antwort: „Es gab nichts zu bereden.“ Nüchterne und plausible Antwort, wie ich finde.

Dann wollte ich dazu was beitragen, dass die Kinder auch mal den Mund aufmachen. „Was möchtest du mal werden?“ Verdammt, was machte ich da? 998 Eltern von 1000 würden wahrscheinlich die gleiche Frage gestellt haben.

Die Antwort vom jungen kam prompt. „Wenn ich groß bin, werde ich Terroristen abknallen.“ Ich war geschockt, aber gefasst, das war schon eher ein Thema für mich. „Wie, Terroristen abknallen, das ist doch kein Beruf.“ „Egal, ich werde sie töten. Schade, dass mir der Reine Attentäter nicht begegnete, den würde ich nur so abknallen und die Todesstrafe wünsche ich mir auch.“ Erleichtert war ich nur, dass mein Sohn nicht die gleiche Platte auflegte. „Man soll nicht töten und Selbstjustiz verüben, schon mal gar nicht.“ Als der Junge sagte, dass sein Vater, mit dem ich drei Stunden da saß, genauso denkt, trat bei mir eine künstliche Phase des sich Sammelns ein.

Ich sagte: „War nett, dich wieder mal getroffen zu haben.“

Die Situation hatte mich nachdenklich gemacht. Zwar wusste ich von meinem Sohn, dass er nichts werden wollte, aber das was der Junge drauf hatte, war doch härter als ich erwarten durfte.

Gestern, nach dem die Halbjahreszeugnisse gab und sich die Kinder mit den Freunden, bei schönem blauen Himmel und 18 Grad, in die Stadt begaben und die Bistros füllten, hatte ich noch einige Male die Gelegenheit in die Runde zu fragen: „Und, was wollt Ihr mal werden?“

Fast die Hälfte der befragten Kinder hatten sich für den Traumberuf des „Nichts“ entschieden. ¼ der Kinder wollten Rechtsanwälte werden. Eine künftige Ärztin war auch dabei. Die anderen wollten die Frage zurückgestellt wissen und hatten keine Idee.

Ich habe nur einen Tatsachenbericht gebracht. Kommentieren möchte ich nicht groß, zumal im Nachhinein, alles mir ziemlich plausibel erscheint. So ist das nun mal in der Türkei. Die Kinder und Jugendlichen leben vor sich hin als ab keine Zukunft für sie geben würde.

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