Teil III: Die „bunten“ 80er

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Teil III: Die „bunten“ 80er

In den 80ern kommt die zweite Welle der „Ausländer“ aus der Türkei. Sie sind jetzt Asylanten und kommen stark politisiert zu ihren „Familien“ in Deutschland.
Während sich Deutschland wenn auch langwierig aber dafür konsequent demokratisiert hat und durch Studentenrevolten und sozialem Aufbruch endgültig mit den Alt-Nazis aufräumt, erleben die Türken den dritten Militärputsch in 30 Jahren.

Das Land versinkt vollständig im Chaos. Dies hat Konsequenzen die bis nach NRW, Bayern, Hessen oder Berlin-Kreuzberg hineinreichen sollen.
Viele Türken verschanzen sich nun immer mehr in ihre Wohnzimmer und werden von der türkischen Filmindustrie mit Endlosfilmen auf Betamax, VHS und Video 2000 eingeschläfert.

Allmählich verschwinden sie in Hinterhöfen und in völlig isolierten Communities. In Discos werden sie abgewiesen und feiern auf türkischen Hochzeiten nach ihrem Geschmack, mit zumeist 500 bis 1000 eingeladenen Feiergästen. Sie kaufen die Wohnung, in der sie zur Miete gelebt haben, renovieren sie und beginnen ihr Leben im Kiez oder Veedel zu „verschönern“.

Die Ersten wagen den Schritt in die Selbständigkeit und gründen Firmen – abseits der bereits bekannten Obst- und Gemüsehändler.
Die Perspektive ist nach wie vor Deutschland – aber auf ihre Weise.
Einige beginnen die Integration als Verlust ihrer selbst zu ansehen. Generationenkonflikte und Emanzipationsvorstöße vom strengen Elternhaus kommen hinzu.

Kein Wunder – erkannt nicht „gern gesehen“ und willkommen zu sein, geben sie den Kampf des Anschlusses an die deutsche Gesellschaft in vielen Fällen auf.
Sie besinnen sich auf ihre alten Kulturen und Religion, leben sie extensiver als im ursprünglichen Heimatland. Sie halten an dem fest was ihnen geläufig ist und geben es mit einer gewissen Begeisterung an ihre Kinder weiter.
Türken leben viele Dinge extensiver aus als ihre deutschen Nachbarn. Enthusiasmus und Temperament sind viel stärker in ihrer „DANN“ verankert. Stolz, Freude und daraus resultierende Emotionen sind nahezu immer überschwänglicher als bei Deutschen. Aber auch Leid und Trauer.
Die türkische Gesellschaft zerspringt derweil in viele unterschiedliche und bunte Teile. Entwicklungen in der „ehemaligen“ Heimat als auch im neuen Land beeinflussen nur viel stärker, Position, Meinung und Lebensgefühl.
Es entstehen Parallelgesellschaften, die es zwar auch unter Italienern, Spaniern oder Jugoslawen gibt – aber sie sind dort kleiner.

Türken aber fallen auf.

Während der italienische Flaggenaufkleber schick am Heck des Alfa anzusehen ist und zu einer Art Werbeikone für alle mutiert, wirkt die Arabeske Musik aus dem 3er BMW wie der Zahnarztbohrer im Weisheitszahn.

Die „deutsche“ Gesellschaft lässt es laufen. Die „türkische“ macht es sich gemütlich.
Die Politik arbeitet nicht an den Ursachen sondern werkelt mit „Abschiebeprämien“ an den Symptomen. Ein echtes Problemlösen ist nicht zu erkennen. Ein Umarmen oder gemeinsames Agieren wird nicht mal als Perspektive gesehen.

gastarbeiter2Eine große Chance wird ausgelassen.

Politisches Mitspracherecht und gesellschaftliche Ausrichtung soll und muss explizit den Deutschen gehören heißt es in Bonn. Partizipation an der Gestaltung der Zukunft ist kein Gemeinschaftsprojekt. Das wird sehr klar manifestiert!
Noch ist die politische Partizipation auf kleine Randparteien beschränkt.
Auf Demonstrationen -wie die Ostermärsche der 80er- geht man nicht, da das Elternhaus dies strengstens untersagt. Aus Angst und der unbeirrten Meinung der 1. Zuwanderergeneration bloß nicht aufzufallen oder gar mit dem Gesetz in Konflikte zu kommen. Einige engagieren sich trotzdem und ziehen mit ihren Deutschen Freunden gegen Pershing II und der Stationierung von Atomwaffen.

Es will einfach keine Euphorie zwischen Deutschen und Türken aufkommen. Die einen haben die ewige Angst vor „Überfremdung“ und die anderen fühlen sich und ihre wirtschaftliche Aufbauarbeit nicht respektiert genug. Teilweise sind sie Opfer ihres Namens bei Bewerbungen und ziehen den Kürzeren.
Aus einer ursprünglichen WIN – WIN Situation, ist schon längst eine innenpolitische Katastrophe geworden.

1990 und die Jahre danach führen zu einer erneuten und grundlegenden Erosion zwischen beiden Communities und den „neuentstandenen“ und nun immer fester etablierten Sub-Communities.

Teil I – Die Zarten Anfänge und das ‘starke’ Bündnis.

Teil II – Die Gastarbeiter

dİ.e Q.olumne®by Kemal Kilic@WhenWeWhereFriends
Photo: Der Spiegel Titelbild: „Gettos in Deutschland – Eine Million Türken“

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