Die Türkei wird zur Energiedrehscheibe

Im Poker um die Energieversorgung Europas mit Erdgas in den kommenden Jahrzehnten ist das Land in einer sehr komfortablen Lage.

Einen klaren Gewinner beim Poker um die Erdgasversorgung gibt es schon: die Türkei. Russland gewährt dem Land einen Rabatt von 10,25 Prozent auf den Gaspreis. Denn am liebsten würde Russland morgen mit dem Bau von Turkish Stream anfangen. Die Schiffe für den Bau von South Stream sind gechartert und könnten jederzeit mit dem Bau einer Pipeline durch das Schwarze Meer beginnen, egal ob nach Bulgarien oder in die Türkei. Doch die Türkei dürfte Russland noch eine Weile zappeln lassen, während die Charterkosten für die Spezialschiffe weiterlaufen. Vielleicht lässt sich ja noch ein bisschen mehr Rabatt heraushandeln.

Sehr zum Leidwesen von Russland. Die Energieversorgung ist keine rein wirtschaftliche Angelegenheit. Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zeigt, dass Energierohstoffe auch als Druckmittel eingesetzt werden.

In der vergangenen Woche sind einige Entscheidungen gefallen, die Europa unabhängiger machen könnten von russischem Erdgas.

Die Verteilung der europäischen Gasimporte auf mehrere Bezugsquellen ist vergangene Woche ein Stück vorangekommen: In der Türkei begann der Bau der Trans-Anatolien-Pipeline Tanap (in der Karte grün eingezeichnet). Diese Röhre beginnt an der türkisch-georgischen Grenze und transportiert Gas aus Aserbaidschan in den Westen der Türkei (siehe Karte). Die 1850 Kilometer lange Pipeline soll 2018 fertig sein und rund zehn Milliarden Dollar kosten (umgerechnet fast zehn Milliarden Euro). Von 2019 an können dann jährlich 16 Milliarden Kubikmeter Gas westwärts fließen. Davon soll die Türkei sechs Milliarden Kubikmeter bekommen, die EU zehn Milliarden.

Die EU übernimmt ihren Anteil an der türkisch-griechischen Grenze und transportiert das Gas dann durch die (noch zu bauende) Trans-Adria-Pipeline Tap (in der Karte lila) über Albanien und durch die Adria nach Süditalien. Dort wird das Gas in das europäische Gasnetz eingespeist. Von 2020 an soll der sogenannte südliche Gaskorridor die Abhängigkeit Europas von russischem Gas reduzieren. Es wäre der vierte Versorgungsstrang für Gasimporte neben Russland, Norwegen und Nordafrika.

Quelle

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