Lasst uns Türkisch sprechen und uns trotzdem nicht verstehen

In Gaziantep (Südost-Anatolien) hatte ich einen Interessenten, der Richtung Europa Exportieren wollte. Da er der einzige Hersteller des Produktes in der Stadt ist, möchte ich lieber auf die Erwaehnung des Produktes verzichten.

Er hatte sich über meine Website informiert und hat mich selber kontaktiert. Wir haben mehrmals telefoniert und eMail-Korrespondenz gehabt. Wir waren auf einer Wellenlaenge. Ich machte denen ein Angebot. Wie ich mir den Vertriebsaufbau in Europa, beginnend in D vorstellen würde und wie meine Honorierung in diesem Zusammenhang ausschauen könnte. Die Begeisterung seitens des Unternehmers kannte keine Grenzen. Er bat mich nach Gaziantep zu kommen und stellte mich schon vor das erste Problem. Mit kleinen und mittelstaendischen Unternehmen hat man diese Probleme immer. Würde ich sagen “schicken Sie mir bitte einen Flugticket” finden das einige unhöflich andere wiederum kleinkariert. Auch können Sie nicht sagen, dass Ihr Beratungstag Betrag X kostet. Dann denkt man “der hat nichts geleistet und möchte Geld haben”. Also was tun ?Ticket für 200 Euro selber kaufen und hinfliegen. Schliesslich gibt es die Korrespondenz, welches klar ausweist, dass wir im Geschaeft sind. Also bin ich hingeflogen. Da ich den vollen Tag ausnutzen wollte, kam ich um 7 Uhr Morgens an. Das war natürlich zu früh, für den Chef, seiner Assistenten, seiner Sekretaerin, seine sonstigen Mitarbeiter … Ich wurde vom Pförtner abgeholt, allerding mit dem Benz von Chef. Somit wollte man mir sagen bzw. zeigen: Unseren Schlaf werden wir bis Ende schlafen aber, um dir zu zeigen, das wir dich schaetzen, lassen wir dich mit einer Benz abholen.

Nur war es auch für den Pförtner sehr aussergewöhnlich, so früh unterwegs zu sein. Er sah verschlafen und kaputt aus. Was sollte er mit mir anfangen. In der Stadt wollte er mit mir frühstücken, nur wo ? Alle waren noch dran ihre Backwaren zu produzieren. Also war mein frühes Kommen auch für die Stadt sehr unpassend. Um 9 Uhr kamen wir in der Fabrik an. Einer meiner Gesrpraechspartner kam um 10 Uhr an und teilte mir mit, dass der Chef um 11 Uhr da sein würde. Wie gut, dass ich schon um 7 da war. So konnte ich den ganzen Tag ausnutzen. Um mich zu beschaeftigen brachte man mir eine Riesenplatte “Katmer”. Ein SüssSpeise und Spezialitaet der Gegend. Waehrend ich hier und da mich auf der Platte herantastete, putzen die anderen pro Kopf eine Platte weg. Pünktlich um 11:50 Uhr kam dann der Chef. “Und, sind Sie gut bedient worden ?” Was sollte ich schon antworten ? “Ja, danke !” Ich hatte eine Riesenplatte Katmer, anstelle eines Frühstücks verdrückt. Dazu noch fast ein Liter Wasser, 5-6 Glaeser Tee, 1 türkisch Mokka und sonstige Teigwaren.

“Wie war Ihre Reise, gefaellt Ihnen unsere Stadt ?” “Wir haben ja fast Mittag, lassen Sie uns was essen gehen !”. Das passte gut, denn ich hatte mich schon warmgelaufen. Seit dem frühen Morgen tat ich nichts anderes als essen und trinken.

Wir waren dann im alten Stadtzentrum und haben einiges an gegrilltem Fleisch verdrückt. An Spezialitaeten fehlt es Gaziantep nicht allerdings kann ich mir einen Vegetarier beim besten Willen nicht vorstellen. Gegen 15 Uhr waren wir dann wieder in der Fabrik. Eigentlich haette mir ein Mittagsschlaf noch gut zu gesicht gestanden.

Der Chef erzaehlte mir von der Produktion und wie erfolgreich sie in der Region sind und das die jetzt endlich mal Richtung Europa exportieren wollten. “Dafür bin ich ja da !” sagte ich. “Wie könnten Sie uns behilflich sein ?” fragte er mich als ob wir uns das erste mal über dieses Thema unterhalten würden. “Das habe ich Ihnen ja bereits gross und lang erklaert bei unseren Telefonaten und Mails” sagte ich. “Ja, aber wir würden viel lieber sehen, wenn Sie für uns verkaufen und Prozente bekommen als das wir im Vorfeld investieren.”

“Es faehrt ein Zug nach nirgendwo, mit mir allein als Passagier” fiel mir so auf Anhieb ein.

Lange Rede kurzer Sinn, die wollten, dass ich auf eigene Rechnung für die verkaufe. “Warum haben Sie meinem Angebot zugesagt, wenn Sie nicht daran interessiert waren ?”

“Wir sind ja sehr an einer Zusammenarbeit mit Ihnen interessiert” erwiderte der Chef. Danach ging es hin und her.

“Wissen Sie wie mein Tagessatz ist und dann die Flugkosten etc.”. Alle waren erstaunt, der Verkaufsleiter drückte dieses mit den Worten “wie, Sie haetten Geld verlangt, um dieses Gespraech zu führen ?” “Oder Naturalien” haette ich antworten können. Ich hatte ja schliesslich meine 5.000 Kalorien schon intus. 19 Uhr ging zum Glück mein Flieger. Wieder einmal freute ich mich nach Istanbul zurückzufliegen.

Gerne möchte ich Euch mit auf dem Weg geben, anders zu agieren, vorweg schon schriftlich eine Zusage zu verlangen etc. aber so kommt Ihr dann nie zu einem Auftrag. Man lehnt grundsaetzlich Zusagen im Vorfeld ab. Auch waere eine Honorierung für das Erstgespraech, ein Ding der Unmöglichkeit. In manchen Faellen, denken die potentiellen Geschaeftspartner mit und schicken ein Flugticket. Dann müsst Ihr aber darauf achten, dass es kein “Oneway Ticket” ist 🙂

Das was ich oben geschildert habe, erlebte ich oft. Leider zu oft. Von der Hoffnung getrieben, ein Abschluss mit einem türk. Unternehmen zu taetigen, bin ich immer diesen riskanten Weg gegangen. Seit Jahren verzichte ich auf Reisen zu potentiellen “türkischen” Auftraggebern und treffe mich mit denen in Istanbul. Nur müsst Ihr dabei auch eines bedenken. Wenn diese Personen extra für Sie nach Istanbul reisen, sind Sie der Einheimische. Alle Ausgaben gehen zu Ihren Lasten. Ein Restaurantbesuch kann schön teuer werden. Je nachdem, wie wichtig der Auftrag für Sie ist, werden Sie evtl. ein teures Restaurant aussuchen und schon werden Sie sagen “waere ich doch lieber zu denen geflogen” 🙂

Katmerzubereitung : http://www.youtube.com/watch?v=U50-2Qdp0SQ

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